Enteignung von Künstlern: Russland auf Stalinkurs?
Kritische Künstler, Medienschaffende und andere haben es in Russland immer schwerer: Die Duma hat ein Gesetz verabschiedet, wonach in Fällen von "Verleumdung der Armee" oder anderer "staatszersetzender" Handlungen neben den bisherigen Haft- und Geldstrafen auch eine Beschlagnahme von Eigentum möglich ist. Kommentatoren sehen in Russland einen Repressionsapparat nach dem Muster der Herrschaft Stalins heranreifen.
Das Volk soll sich an Justizterror gewöhnen
Journalist Sergej Aslanjan befürchtet auf Facebook, dass die Repressionen noch stärker werden:
„Es ist noch nicht lange her, da schien eine Gefängnisstrafe für das Reposten von Beiträgen auf [der russischen Social-Media-Plattform] VKontakte absurd. Jetzt ist es normale Justizpraxis. Die Verhaftung einer Regisseurin wegen eines Theaterstücks, das sie vor vier Jahren inszeniert hat, ist absurd. Doch die Ermittler sehen eine heutige Rechtfertigung von Terrorismus. ... Die Dressur der Bevölkerung geht weiter. Wenn dann 1937 wiederkehrt, sollen wir schon das rechte Verständnis für die Gerechtigkeit des Urteils haben - damit wir es als Norm, Wahrheit und legitime Strafe ansehen. Damit wir Erschießungen als etwas Alltägliches betrachten.“
Widerspenstige werden ans Messer geliefert
Gazeta Wyborcza sieht klare Parallelen zum Stalinismus:
„Putins Kulturrevolution gewinnt an Schwung. Widerspenstige Künstler sind jetzt Kriminelle. ... Dieses drakonische Gesetz, das wie aus den stalinistischen Gesetzbüchern entnommen wirkt, soll zudem von 'Schutzbestimmungen' begleitet werden. So darf beispielsweise der Verkauf oder die Schenkung einer Wohnung in Russland nur in Anwesenheit des Eigentümers abgewickelt werden. Ein Oppositioneller, der ins Ausland geflohen ist, um der Verfolgung zu entgehen, müsste also vor einem Moskauer Notar erscheinen und riskieren, verhaftet zu werden.“
Beschlagnahme der Gedankenwelt
Enteignet wird in einem stalinistischen Repressionssystem auch geistiges Eigentum, erklärt The Insider:
„Wenn wir heute sagen, dass 'die Staatsmacht nach sowjetischer Art handelt', denken wir vor allem an universale Härte und Gewalt. Wir vergessen, dass 'sowjetisch' auch auf einer besonderen Haltung gegenüber dem Begriff des Eigentums beruht, einem Schlüsselbegriff des leninistischen Marxismus. Da gibt es nichts Privates - alles Eigentum gehört bekanntlich dem Volk (und faktisch natürlich dem Staat). Dieses ökonomische Dogma überträgt sich automatisch auf die Einstellung zum Individuum: Der totalitäre Staat besitzt auch Körper, Seelen und Ideen. ... Der Staat geht mit den Künstlern um wie mit Dingen - und macht damit, was er will.“