Nach Anschlag in Magdeburg: Wie reagieren?
Eine Amokfahrt hat auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt fünf Tote und über 200 Verletzte gefordert. Bei dem gefassten Tatverdächtigen handelt es sich um einen 50-jährigen Psychiater aus Saudi-Arabien, der in Deutschland Asyl erhalten hatte. Er hatte sich als vehementer Kritiker des Islam hervorgetan und war den Behörden u.a. wegen Gewaltandrohungen bekannt. Europas Presse bemüht sich um Einordnung des Terrorakts.
Der Albtraum versteckt sich im Alltag
Magdeburg hat Europa aus einer Illusion gerissen, konstatiert La Stampa:
„Wir hoffen immer, dass wir den Terrorismus losgeworden sind. Das ist eine Illusion. Der Albtraum kehrt zurück. Die Gefahr war nie verschwunden. Wenn überhaupt, dann hatten wir sie vergessen. Der Anschlag auf die Menschenmenge auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt entspricht allen Regeln des 'Do-it-yourself'-Terrorismus, also jenem, gegen den man sich schwerer schützen kann, weil er das Gesicht des Nachbarn haben kann und weder eigene noch fremde Waffen benötigt. Alles, was man braucht, ist ein Führerschein. Wer hat den nicht? Das Attentat von Magdeburg zeigt die Verwundbarkeit unserer Gesellschaft auf. Es trifft uns dort, wo wir am wehrlosesten sind.“
Empathisch, besonnen, würdevoll
Die Presse lobt die Reaktion der Deutschen:
„Das Land reagierte beeindruckend auf die Schreckensnachricht aus Magdeburg so knapp vor Weihnachten – empathisch, besonnen und würdevoll, sogar auf dem Fußballplatz. Dieser Gemeinsinn und dieses wohltemperierte Gefühl für den richtigen Ton zeichnet Deutschland in solchen Situationen aus. Leitmedien stürzten sich in die Recherche, statt pauschale Vorverurteilungen vorzunehmen. Und der politische Betrieb verzichtete zunächst auf Schuldzuweisungen. ... Zunächst räumte die deutsche Gesellschaft gleichsam in einer instinktiven Kollektivhandlung der Trauer und dem Mitgefühl gebührenden Raum ein.“
Unbemerkte Polarisierung kann tödlich enden
Dem Handelsblatt zufolge lässt sich dieser Anschlag mit den üblichen Schablonen nicht fassen:
„Natürlich, die Behörden hätten wachsamer sein müssen. Offenbar gab es Hinweise, denen nicht nachgegangen wurde. Aber ein Ex-Muslim, der sich an Deutschland rächen will, weil es sich angeblich zu tolerant gegenüber Islamisten zeigt – einen solchen Fall hat es noch nie gegeben. Auch ein wachsamer Staat kann keinen absoluten Schutz bieten. Wenn es eine Lehre aus der Tragödie von Magdeburg gibt, dann diese: Polarisierung tötet. Ihr entgegenzuwirken, kann nicht nur Aufgabe des ohnehin schon überbeanspruchten Staates sein. Auch Onlineplattformen, auf denen sich der Radikalisierungsprozess vollzieht, stehen in der Verantwortung. Aus wirren Verschwörungstheorien kann schnell blutiger Ernst werden.“
Die Angst sollte nicht siegen
Solche Anschläge dürfen den gesellschaftlichen Frieden nicht zerstören, warnt Politiken:
„Wir wissen schließlich, dass das Ziel des Terrorismus immer darin besteht, Angst und Unsicherheit zu erzeugen. Leider sind Gräueltaten wie die auf dem Weihnachtsmarkt etwas, wovor freie Gesellschaften nie völlig sicher sein können. Es gibt verrückte und böse Menschen. Aber die EU ist eine Oase der Ruhe und Stabilität in einer unruhigen Welt. Morde und Terror sind die Ausnahme. Sicherheit und Freiheit sind die Norm. Lassen Sie uns das feiern, während wir uns für die Zukunft noch besser absichern.“
AfD wird profitieren
Ausländerfeindliche Parteien werden den Anschlag im Wahlkampf für sich instrumentalisieren, so NRC:
„Das Land ist in Alarmbereitschaft. Ein Anschlag auf einen Weihnachtsmarkt ist ein Anschlag auf eine deutsche Tradition, auf die deutsche Lebensart. Und wie verrückt der mutmaßliche Täter auch sein mag, er ist vor allem ein Ausländer. Während des Gedenkgottesdienstes im Dom von Magdeburg riefen Demonstranten am Samstagabend anderswo auf zu 'Remigration'. Je mehr gesellschaftliche Debatte über Migration, desto mehr Wahlvorteil für die Alternative für Deutschland (AfD).“