Zwei Jahre Papst Franziskus
Für seinen bescheidenen Lebensstil und seine Kritik am Zustand der katholischen Kirche hat Papst Franziskus seit Amtsantritt vor zwei Jahren viel Anerkennung erhalten. In ihrer Bilanz loben einige Journalisten seinen Mut, gegen verkrustete Machtstrukturen im Vatikan anzugehen. Andere fürchten, dass sich seine Reformvorhaben als Strohfeuer erweisen und die Kirche den Kontakt zu den Gläubigen weiter verliert.
Seine Bescheidenheit ist revolutionär
Gerade seine schlichte und lebensnahe Art macht aus Papst Franziskus einen revolutionären Erneuerer der katholischen Kirche, jubelt die konservative Tageszeitung La Vanguardia: "Vom ersten Moment an wollte er eine Botschaft der Bescheidenheit aussenden: Er verzichtete auf sein Gemach im Vatikan, um nach Santa Marta zu gehen. Statt eines offiziellen Dienstautos benutzte er einen gebrauchten Fiat. Und er lehnte sogar die eigens in Rom angefertigten Schuhe ab, um seine abgetretenen Schuhe aus Buenos Aires weiter aufzutragen. Manche werden das als Bruch werten, andere als Eigenart. Tatsache ist, dass der Papst in Rom seit zwei Jahren wie eine sehr moderne und zeitgemäße Persönlichkeit wahrgenommen wird, weit ab vom gewöhnlichen höfischen Stil und stattdessen in direktem Kontakt mit den Menschen. Alles ist so schlicht und einfach, dass es revolutionär wirkt."
Päpstlichen Worten müssen Taten folgen
Die Kirche bleibt Antworten auf die Lebensrealität ihrer Anhänger weiterhin schuldig, klagt die Neue Zürcher Zeitung und fordert von Franziskus die Einleitung überfälliger Reformen: "Wenn er sich äußert, scheint der Pontifex, der nun zwei Jahre im Amt ist, jedenfalls nicht immer zuerst die Goldwaage und den päpstlichen Haustheologen im Sinn zu haben. Solche Aussagen, von den Medien dankbar aufgenommen, verdecken freilich manchmal auch den Blick auf wichtige Projekte, die Franziskus nun entscheidend vorantreiben muss. Der deutsche Kardinal Walter Kaspar, den der Papst offensichtlich sehr schätzt, sagte jüngst dazu, Franziskus wolle nicht Positionen besetzen, sondern Prozesse einleiten. ... Die Antwort der Kirche auf ihre konkrete heutige Lebenswirklichkeit vermissen viele Katholiken immer noch schmerzlich. Franziskus muss zeigen, dass er es ernst meint, wenn er von Barmherzigkeit als 'der stärksten Botschaft des Herrn' spricht. Der charismatische Jesuit sollte seinen Worten ... Taten folgen lassen."
Wenn Franziskus scheitert, scheitert die Kirche
Der Widerstand der Kurie gegen Franziskus' Reformen könnte das Ende der katholischen Kirche bedeuten, warnt der Theologe Vito Mancuso in der linksliberalen Tageszeitung La Repubblica: "Niemand weiß, wie dieser Kampf, der vor zwei Jahren begonnen hat, enden wird. Doch ist gewiss, dass die Kardinäle und Kirchenmänner, die sich gegen Franziskus stellen, Ausdruck dessen sind, was das Papsttum [mit seiner absoluten Macht] über Jahrhunderte war. ... Was aber geschieht, wenn Franziskus scheitert? Ich glaube, es wäre ein schrecklicher Schlag für den Katholizismus, denn die enormen Hoffnungen, die dieser Papst geweckt hat, würden in nicht minder große Enttäuschung umschlagen. Die Glaubwürdigkeit der Kirche würde einen schweren Schlag erleiden, der verheerend wenn nicht gar vernichtend wäre. Das Scheitern des Papstes würde das Ende der Kirche als Institution bedeuten. Ich weiß nicht, ob die zahlreichen Kardinäle, Bischöfe und Kirchenmänner, die sich gegen ihn stellen, das wollen. Doch sollten sie sich darüber im Klaren sein."
Reform-Papst droht das Schicksal Gorbatschows
Papst Franziskus könnte das gleiche Schicksal wie dem sowjetischen Ex-Präsidenten Michail Gorbatschow drohen, fürchtet das Onlinemagazin Slate: "Nach zwei Jahren Amtszeit ist Papst Franziskus innerhalb seiner Kirche nicht unumstritten. Dies deutet auf das 'Gorbatschow-Syndrom' hin. Der Sowjetführer der Achtzigerjahre war im Westen beliebter als in seinem eigenen Land und in den kommunistischen Blockstaaten. … Der argentinische Papst ist nun von der gleichen Bedrohung betroffen wie damals Michail Gorbatschow. Besteht aufgrund der Tatsache, dass er langsame Prozesse radikalen Reformen vorzieht, nicht auch das Risiko, dass sich die eingeschlagenen Veränderungen in der Kirche als umkehrbar und schließlich als Strohfeuer erweisen? Wird dieses kolossale Pontifikat nur ein Zwischenspiel bleiben? Werden wir nach Franziskus zur absolutistischen Monarchie von früher, zu einem absolutistischen, sakralen, autoritären Papsttum zurückkehren?"