Hollande will Regierung für Eurozone
Unter dem Eindruck des Schuldenstreits mit Griechenland hat sich François Hollande für eine Regierung der Eurozone ausgesprochen. Diese brauche ein eigenes Budget und parlamentarische Kontrolle, schrieb er in einer am Sonntag veröffentlichten Kolumne. Mit seinem Vorschlag will der französische Präsident nur den Einfluss Berlins eindämmen, meinen einige Kommentatoren. Andere sehen darin die Gefahr einer Verschärfung des europäischen Demokratiedefizits.
Angst vor Berlin größer als Angst vor Märkten
Mit seiner Forderung nach einer Regierung der Eurozone will Hollande letztlich nur die Macht Deutschlands begrenzen, analysiert die liberale Tageszeitung Gazeta Wyborcza: "Die Eurozone hat doch schon einmal die Zusammenarbeit verstärkt und eine Bankenunion ins Leben gerufen, um die Kapitalmärkte davon zu überzeugen, dass der Euro nicht auseinanderfällt. Dies geschah überwiegend auf Druck der internationalen Investoren. ... Deshalb sieht es ganz danach aus, dass Hollande jetzt weniger Angst vor den Märkten hat als vor Berlin. Wenn man die Eurozone immer weiter integriert, dann wird die derzeit starke Position Deutschlands geschwächt. ... In Paris und Rom spricht man dieser Tage ganz offen über seine Ängste vor den Deutschen - egal, ob dies nun berechtigt ist oder nicht."
Eurozonen-Regierung scheitert an Deutschland
Hollandes Idee einer europäischen Avantgarde wird nur ein Traum bleiben, denn Deutschland zieht nicht mit, fürchtet Eric Bonse auf seinem Blog Lost in EUrope: "Berlin setzt in Sachen Euro auf ewige, deutsche Regeln statt auf politische, demokratisch legitimierte Entscheidungen. Ein neues Euro-Budget ist ohnehin tabu. Zudem verkennt Hollande die Lage. ... [Er behauptet] allen Ernstes, dass die Eurozone in der Griechenland-Krise 'ihren Zusammenhalt bestätigt' habe. Die deutsch-französischen Beziehungen hätten funktioniert. In Wahrheit haben [Bundesfinanzminister] Schäuble und [Bundeskanzlerin] Merkel den Grexit ohne und gegen Hollande geplant. Frankreich konnte ihn nur verhindern, indem es die knallharten Bedingungen Deutschlands schluckte. Als Nächstes dürfte Berlin versuchen, auch Paris in die Enge zu treiben. Schäuble sieht Frankreich nicht als Avantgarde, sondern als Bremsklotz, den man beiseite räumen muss."
Hollande will Club im Club
Hollandes Vorschlag einer Regierung der Eurozone ist eine Bedrohung für Europa, schimpft die liberal-konservative Tageszeitung Diário de Notícias: "Dies wäre eine Vertiefung des schon berühmten Demokratiedefizits in Europa, basierend auf der Auffassung, dass sechs Länder Herren und Meister der politischen und wirtschaftlichen Ausrichtung der EU wären und allen anderen ihren Willen aufzwingen könnten. ... Diese Existenz mehrerer Clubs im Club würde in der Praxis die Institutionalisierung der Idee bedeuten, dass es eine EU der Gläubiger und eine EU der Kreditnehmer gebe. ... Dass Hollande zu Hause den Herrn spielen und zeigen muss, dass er ebenso viel wie Merkel befiehlt, ist ein Problem, welches er selbst lösen muss. Dies darf aber nicht auf Kosten des Zusammenbruchs und Zerfalls des EU-Projekts geschehen."
Euroskepsis könnte Haushaltsunion gefährden
Hollandes Vorschlag kann nur Erfolg haben, wenn die Debatte über eine weitere Integration Europas von ihren Misstönen befreit wird, prophezeit die linksliberale Tageszeitung Le Monde: "Die Regierenden handeln [im Schuldenstreit] unter dem Druck der öffentlichen Meinung, die von Euroskepsis und sogar Europhobie geprägt ist. François Hollande hat zurecht die Schaffung einer Haushaltsunion als Pendant zur Währungsunion gefordert. ... Dies setzt ein Minimum an Souveränitätsabtretung an Brüssel voraus, die durch ein Minimum an entsprechender parlamentarischer Vertretung der Eurozone ergänzt werden muss. Dies wiederum erfordert, dass dem vorherrschenden Anti-Brüssel-Diskurs entgegengewirkt werden muss, der meist auf nationalistischer Regression oder gar intellektueller Faulheit basiert."