Flüchtlinge: Trägt Europa Mitschuld?
Nach der Einführung von Grenzkontrollen durch Deutschland ziehen in diesen Tagen andere Länder nach. Im Streit um die Flüchtlingsquote fordern einige Politiker Sanktionen. Während sich die EU in der Flüchtlingsfrage zerstritten zeigt, lenken Kommentatoren das Augenmerk auf die Außenpolitik der Union und kritisieren, dass diese schon vor Jahren versagt hat.
Europas Mittäterschaft
Die EU hat mit ihrer Außenpolitik die Flüchtlingskrise mit verursacht, bemerkt die liberale Tageszeitung Jutarnji List: "Wir, als Teil der EU, der stärksten Wirtschaftsmacht, sind geizig, feige und egoistisch. Wir haben zugeschaut, als Mitglieder aus unseren Reihen und unsere Nato-Verbündeten die Katastrophen im Irak und Libyen losgetreten haben durch eine Medizin, die schlimmer war als die Krankheit. Unser Europa hat Kurdistan, von dem wir erwarten, dass es uns vor der IS-Miliz beschützt, verraten und gedemütigt, während unser Nato-Verbündeter Türkei ihm das Messer von hinten zwischen die Rippen rammt. Unser Europa hat mit den USA Palästina verwüstet und dem Terrorismus den Nährboden bereitet. Unser Europa sorgt sich um Darfur oder die Rohingya so viel wie um den Schnee von gestern - oder sogar noch weniger."
Aus Fehlern nichts gelernt
Europa versagt mit seiner Unentschlossenheit in Krisen immer wieder und zieht einfach keine Lehren daraus, kritisiert die liberale Tageszeitung Público: "Die Vertagung einer gemeinsamen Resolution über die Verteilung der Flüchtlinge zu einem Zeitpunkt, da die Rückkehr der Grenzkontrollen den Schengen-Raum gefährdet, reiht sich ein in eine Kette schlechter Nachrichten. Die EU ist den Anforderungen des Dramas einfach nicht gewachsen. Und was die Situation in Syrien angeht, ist es leider nicht das erste Mal: Laut Martti Ahtisaari, Ex-Präsident Finnlands und einst Vermittler für die Uno, hat Russland dem Westen 2012 angeboten, Syriens Machthaber Assad fallen zu lassen. Die EU und die USA sollen das Angebot leichtsinnig verspielt haben, da man damals davon ausging, dass Assad aus dem Amt gejagt werden würde. Dazu ist es leider nicht gekommen. Heute, Tausende von Toten und Vertriebenen später, zeigt man sich bereit, Assad - der ein Diktator bleibt - als 'Gesprächspartner' einzubeziehen, um den Krieg und die Flüchtlingskrise zu stoppen. Wird jemand Lehren aus dieser tödlichen Verzögerung ziehen?"
Pazifismus ist anachronistisch
Europa muss einsehen, dass eine Politik der Nichteinmischung im 21. Jahrhundert nicht weiter führt, mahnt die liberale Tageszeitung Corriere del Ticino: "In den letzten Jahren haben die bewaffneten Konflikte an Europas Grenzen massiv zugenommen. Der Krieg in der Ukraine hat seit 2014 8.000 Menschenleben gefordert. … Die Türkei, die heute wesentlich instabiler und unberechenbarer ist als noch vor einigen Jahren, führt einen erbarmungslosen Krieg, auch militärischer Natur, gegen die Kurden und insbesondere die PKK. Dabei drängt sich der Verdacht auf, Ankara nutze die Millionen Flüchtlinge aus Syrien, die sich in der Türkei befinden und nach Europa weiterreisen wollen, um seine Verhandlungsposition zu stärken. Ganz zu schweigen vom Konflikt im Nachbarland Syrien, wo der Krieg zwischen dem Assad-Regime und dem Kalifat des IS das Land in Schutt und Asche legt. … Die ersten fünfzehn Jahre dieses Jahrhunderts sollten auch die Unverbesserlichsten unter den Pazifisten überzeugen, dass ein angemessenes Militärbudget und eine effiziente Verteidigung gegen Cyberkriege, Terrorismus und bewaffnete Konflikte heute keine optionale Politik mehr sind."
Nur Sieg gegen IS kann Flüchtlingskrise beenden
Europa und die USA müssen die Wurzel des Übels in der Flüchtlingskrise eliminieren, nämlich die Terrormiliz IS, fordert die konservative Tageszeitung Irish Independent: "Es ist offensichtlich, dass sich die Flüchtlingstragödie angesichts der immer neuen Schreckenstaten, von denen die Menschen in der Region täglich heimgesucht werden, nur weiter zuspitzen kann. Die Justizminister können Treffen in Europa vereinbaren, doch bis der Terrormiliz IS endlich die Stirn geboten und die Region stabilisiert wird, werden an den Stränden Europas weiterhin die Leichen von Kindern angespült werden, deren Eltern aus ihrer Heimat vertrieben worden sind. Im Nahen Osten müssen Sicherheitszonen eingerichtet werden. ... Das Fehlen von Führungsstärke und einer klaren Strategie nutzt allein den bösen Interessen der IS-Dschihadisten."