Kaczyńskis PiS gewinnt Wahl in Polen
Die Parlamentswahl in Polen hat am Sonntag die nationalkonservative Oppositionspartei PiS mit Abstand gewonnen. Hochrechnungen zufolge erhielt die Partei mit Spitzenkandidatin Beata Szydlo rund 39 Prozent der Stimmen und kann damit wohl alleine regieren. Das Wahlergebnis zeugt vom Unbehagen, das in Europa um sich greift, warnen einige Kommentatoren. Andere glauben, dass Berlin und Paris zur Kooperation mit der Regierung in Warschau gezwungen sind.
Demokraten müssen aufwachen
Als Warnsignal auch für das übrige Europa deutet der linksliberale Tages-Anzeiger den Ausgang der Wahl in Polen: "Die Stimme der Osteuropäer in der EU wird lauter und krawalliger werden. Noch kann in Warschau manches anders kommen als in Budapest. Kaczynski, der nicht als Spitzenkandidat angetreten ist, wird nicht durchregieren können wie Orban. Zudem steht Polen wirtschaftlich weit besser da als Ungarn. Allerdings wirkt gerade diese Tatsache auch verstörend. Wie kann es sein, dass in einem so erfolgreichen Land, in dem die Zukunft der Jugend gehören müsste, ein diffuser Unmut derart schnell zu einer Protestwelle anschwellen kann? Soziologen verweisen auf die harte Reformpolitik und die Arroganz der Eliten. Wahr ist auch: Diese Stimmung ist nicht auf das östliche Europa beschränkt. Sie reicht vom Front National in Frankreich über die linke Podemos in Spanien bis zu rechten Pegida-Hetzern in Deutschland. Angesichts der Dauerkrisen auf dem Kontinent ist es höchste Zeit, dass die Demokraten in Europa aufwachen."
Das allzu europäische Unbehagen
Die Europaskeptiker verzeichnen einen weiteren Triumph - und das in einem Land, das einst auf die EU schwörte, klagt die liberal-konservative Tageszeitung Corriere della Sera: "Nachdem Polen die Fäden der mitteleuropäischen Kultur begeistert wieder aufgenommen und sich von der historischen Bedrohung durch den russischen Nachbarn befreit hatte, war sein rasanter EU-Beitritt eine einzige Erfolgsgeschichte. Das Land verzeichnete acht Jahre in Folge Wirtschaftwachstum und eine niedrige Arbeitslosigkeit (8,6 Prozent), es war im Stande, Investitionen und europäische Gelder anzuziehen und auszugeben. ... Doch für die Polen zählen Fortschritte weniger als nicht eingelöste Versprechen und ungelöste Probleme: niedrigere Löhne als im EU-Durchschnitt, befriste Arbeitsverträge für Jugendliche, die Rückständigkeit weiter Gebiete. Auch am Ufer der Weichsel beginnt man zu glauben, dass die europäische Integration einen Wettstreit der Armen untereinander bedeutet und das Kappen jahrhundertealter Traditionen. Die polnische Gesellschaft vereint das Unbehagen der neuen und die Entzauberung der alten Europäer."
PiS darf Europa nicht die kalte Schulter zeigen
Viele westeuropäische Medien warnen vor der PiS und kritisieren deren Vorsitzenden Jarosław Kaczyński für seine europafeindlichen Töne. Doch die Politiker in Westeuropa werden auf die neue polnische Regierung zugehen, glaubt die konservative Tageszeitung Rzeczpospolita: "Europa sieht völlig anders als im Jahr 2005, als die PiS das erste Mal an die Macht gekommen ist. Die EU hat gerade schwer gebeutelt die Finanzkrise überstanden. Sie steht vor einer doppelten Herausforderung: den Aggressionen Russlands und der Flut von Flüchtlingen. ... Unter solchen Bedingungen werden Bundeskanzlerin Merkel und Präsident Hollande Vieles unternehmen, um die strategische Partnerschaft mit Polen auch unter der neuen Regierung aufrechtzuerhalten. Denn allzu viele Verbündete haben sie momentan nicht. Die neue Regierung muss alles unternehmen, diese Chance nicht zu vergeben. Wenn sie in den kommenden Monaten keine allzu radikalen Schritte unternimmt und den stabilen Kurs des Landes hält, werden Berlin, Paris und London nicht nur aufatmen, sondern ihr sogar mit offenen Armen entgegentreten."