Rio: Russische Leichtathleten endgültig gesperrt
Die russischen Leichtathleten dürfen endgültig nicht bei den Olympischen Spielen in Rio starten. Der Internationale Sportgerichtshof CAS hat als letzte Instanz den Einspruch von 68 Betroffenen zurückgewiesen. So bitter diese Entscheidung für einzelne Sportler sein mag, sie war unumgänglich, argumentieren Kommentatoren.
Im Anti-Doping-Kampf gibt es immer Verlierer
Stabhochsprung-Olympiasiegerin Jelena Issinbajewa hat den Ausschluss der russischen Leichtathleten von den Spielen in Rio als "Beerdigung" dieser Sportart kritisiert. Doch um des Sports willen musste dieser Schritt erfolgen, erklärt Mladá fronta dnes:
„Menschlich kann man Issinbajewas Frust verstehen. Ihr Doping-Register ist offiziell sauber. ... Aber man kann wegen einzelner gesunder Bäume nicht den ganzen Doping-Wald ignorieren. Es war klar, dass bei einem solchen Beschluss jemand verlieren wird. Entweder die sauberen russischen Sportler, das Renommee von Olympia oder der Sport insgesamt. Das einige nicht gedopt haben, kann nicht vertuschen, dass andere Athleten unter Staatsaufsicht alles schluckten, um ihre Leistungsfähigkeit zu erhöhen. Es geht um die unmissverständliche und symbolisch wichtige Botschaft, dass ein solches Maß an Unmoral nicht mehr zu tolerieren ist.“
Verbände sollen über Ausschluss entscheiden
Gegen einen pauschalen Ausschluss aller russischen Sportler von Olympia in Rio spricht sich der Deutschlandfunk aus:
„Kaum anzunehmen, dass sich die russische Politik durch eine solche Maßnahme 'zwangsläutern' lassen würde. Putin reagiert auf Druck für gewöhnlich mit Gegendruck, nicht mit Einsicht. So ist ein Kompromiss nicht unwahrscheinlich: Das IOC gibt die Verantwortung an die einzelnen Sportverbände ab. Diese wiederum wägen dann die Verwicklungen der russischen Sportfachverbände in das Staatsdoping ab. So könnten weitere Teilausschlüsse folgen. Auch hier wieder ohne Rücksicht auf Einzelne. Das ist zwar nicht schön, aber in der Politik ist das ja auch gang und gäbe. Internationale Sanktionen, Boykotte, Embargos, wollen zwar die Regierungen treffen, wirklich weh aber tun sie dem einfachen Volk. Festzuhalten ist aber: Nicht der [Internationale Sportgerichtshof] CAS hat mit seinem Urteil die Leichtathletik begraben, nein, es waren die russischen Staatsdoper.“
Russland auch Fußball-WM wegnehmen
Dass derzeit nur über einen Ausschluss Russlands von den Olympischen Spielen diskutiert wird, reicht Politiken nicht aus:
„Russlands Präsident Wladimir Putin hat versprochen, alle involvierten Funktionäre zu suspendieren - bis auf Witalij Mutko, der laut Kreml nicht verwickelt ist, aber vom Internationalen Olympischen Komitee von den Spielen in Rio ausgeschlossen wurde. Doch der gleiche Mutko ist auch Mitglied in der Führungsspitze des internationalen Fußballverbandes Fifa und muss auch hier sofort ausgeschlossen werden. Der russische Fußball ist der Wada zu Folge nämlich auch von Doping betroffen. Wenn das geschehen ist, muss die Fifa die Entscheidung überdenken, die WM 2018 in Russland auszutragen. Kann man ein solches Event den Goldmedaillengewinnern im Betrügen und Täuschen überlassen?“
Kollektive Bestrafung wäre ungerecht
Die russischen Sportler sollten nicht pauschal bestraft werden, gibt De Volkskrant zu Bedenken:
„Russland steht kurz vor einem totalen Ausschluss von den Olympischen Spielen. Aber wäre das auch gerecht? Ein Ausschluss käme zwar dem lauten internationalen Ruf nach einer Säuberung entgegen, doch er hätte einen wichtigen Nachteil: Das Risiko, dass das Recht für den Einzelnen zum größten Unrecht wird. Nicht bei allen russischen Sportdisziplinen wurde Betrug bewiesen und sicher nicht bei allen Sportlern. ... Das Ehrlichste wäre: Keine Gnade für die Betrüger und Verantwortlichen. Aber doch eine Chance für all diejenigen, die angeben unschuldig zu sein.“
Nationalismus war Grund für Doping
Putin hat sich den mit Doping erschlichenen Erfolg der russischen Athleten auf die Fahnen geschrieben, analysiert Sydsvenskan:
„Wie sehr man auch kollektive Bestrafung ablehnen mag, so kommt man nicht umhin, dass die Sportler ihr Land repräsentieren, das von Wladimir Putin geführt wird, der eine Vergangenheit im KGB hat, dessen Nachfolger FSB das Doping ermöglicht hat. Laut dem unabhängigen Meinungsforschungsinstitut Levada genießt Putin die Unterstützung von 81 Prozent der Bevölkerung. Ein aufgeblasener Nationalismus scheint dabei wichtig zu sein. Die Erfolge bei den Winterspielen in Sotschi, als Russland 33 Medaillen gewonnen hat - sieben mehr als der Zweite - waren laut Putin der Beweis dafür, dass er Land gestärkt hat, das am Boden lag. Jetzt zeigt sich, dass die sportlichen Erfolge durch Doping erreicht wurden - wie während der Sowjetunion. Hört das eigentlich nie auf?“
Enthüllungen verletzen Putins Stolz
Sotschi wird Kreml-Chef Putin nun zum Verhängnis, spottet La Repubblica:
„Putin, der das Ende der Sowjetunion als die 'größte Tragödie der Geschichte' bezeichnete, wollte Russlands Rückkehr zu sportlicher Größe um jeden Preis erzwingen. Die Olympischen Spiele von Sotschi waren die große Revanche des Zaren - sowohl in organisatorischer Hinsicht als auch in sportlicher. Doch nun sind die Spiele zum Grab des russischen Sports geworden. ... Denn der Chef des russischen Anti-Dopingkontroll-Labors, Grigori Rodschenkow, der wusste, wie die russischen Geheimdienste die Tests in Sotschi und Kazan manipuliert hatten, hat sich - nach den mysteriösen Mordfällen zweier Mitarbeiter - nach Amerika abgesetzt und ausgepackt. … Seine Enthüllungen zum Staatsdoping sind eine Bombe für den russischen Sport und Putins Stolz. Wenn Russland nicht an den Spielen in Rio teilnehmen kann, ist der Zar nackt und verletzt - und deshalb auch noch furchterregender.“
An Russland ein Exempel statuieren
Die vorgelegten Beweise müssen zum Ausschluss Russlands von den Olympischen Spielen in Rio führen, fordert De Telegraaf:
„IOC-Präsident Thomas Bach sagte Montag, dass er nicht zögern werde, schwere Sanktionen zu verhängen. Aber wagt das IOC es, ein großes Sportland wie Russland von den Spielen auszuschließen? Hoffentlich. Russland hat den Sport als Verlängerung des eigenen Machtdenkens benutzt und dabei kein Mittel gescheut, um so viele Medaillen wie möglich zu bekommen. Das ist eine Strategie, die an die Blütezeit der DDR erinnert. Wenn hier kein Exempel statuiert wird, dann verlieren die Olympischen Spiele ihre Glaubwürdigkeit und jede russische Medaille ist von vornherein verdächtig.“
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