"Flexible Solidarität" statt Flüchtlingsquote?
Polen, Ungarn, Tschechien und die Slowakei wehren sich weiter gegen die Flüchtlingsquote. Auf dem EU-Gipfel in Bratislava schlugen sie das Modell der "flexiblen Solidarität" vor. Das Konzept soll den Mitgliedstaaten erlauben, "selbst über spezifische Formen ihrer Beiträge zu entscheiden, die ihre Erfahrungen und Fähigkeiten in Betracht ziehen". Setzt sich die Anti-Flüchtlingshaltung der Visegrád-Staaten durch?
Fundament der EU bröckelt
Die EU wird weder durch Solidarität noch durch Menschlichkeit zusammen gehalten, bedauert Le Soir:
„Die Länder, die wollen, nehmen Flüchtlinge auf und versuchen sie zu integrieren. Die Länder, die dies aus offen rassistischen oder religiösen Gründen nicht wollen, können dazwischen wählen, ein paar mehr Bewaffnete zum Patrouillieren an die Außengrenzen zu schicken oder anderswo eine Solidarität zu finanzieren, die sie in ihrem Land nicht umsetzen wollen. … Man sollte sich nicht täuschen: Je mehr in den Reden die Grundwerte der Union angerufen werden, desto stärker fehlen sie in den politischen Maßnahmen. Und die Strömung, die angesichts der Achtung dieser Werte zu 'Realismus' drängt, ist dabei, die Oberhand zu gewinnen. Solidarität ist nicht mehr der Zement Europas, es muss sich jedoch noch herausstellen, wodurch sie ersetzt wird. Dies ist nämlich mehr als eine Sackgasse: Es ist ein kleiner Tod. Klein, da erbärmlich.“
Orbánismus beweist Salonfähigkeit
Einer der vier Visegrád-Regierungschefs hat seine Forderungen auf dem EU-Gipfel besonders erfolgreich durchsetzen können, konstatiert Mediapart:
„Für Viktor Orbán, der am 2. Oktober in Ungarn ein Referendum über die europäische Flüchtlingspolitik abhalten lässt, ist das ein vorzeitiger Sieg: Zwei Wochen vor der Abstimmung wird seine Anti-Flüchtlingshaltung von seinen Amtskollegen offiziell nicht mehr infrage gestellt. Einige der vom Europäischen Rat beschlossenen Maßnahmen tragen sogar seine Handschrift. Beispielsweise die Überwachung der türkisch-bulgarischen Grenze: Zwei Tage vor dem europäischen Gipfel hatte der ungarische Premier während seines Besuchs in der Region in Begleitung seines bulgarischen Amtskollegen darauf bestanden, wie wichtig es ist, diese Grenze zu 'verteidigen'. … Vom Scheitern sind die europäischen Regierenden nun zum Aufgeben übergegangen. Die rückschrittlichste Linie hat gesiegt.“
Visegrád-Staaten sind kompromissbereit
Was das von den Visegrád-Staaten auf dem EU-Gipfel in Bratislava vorgeschlagene Modell bedeuten soll, erläutert Pravda:
„'Flexible Solidarität' heißt, dass jeder Staat das Recht hat, zu entscheiden, wie er der EU helfen will - durch die Aufnahme von Migranten, durch mehr Schutz der Grenzen oder mit Geld. Ein Beispiel dafür, dass die neuen Länder der Union nicht nur blinde Passagiere sein wollen, gibt es bereits. Am vergangenen Montag stimmten sie dem EU-Etat für das kommende Jahr zu, der Kürzungen der Fonds für die ärmeren Staaten vorsieht, deren Wirtschaft jedoch boomt. Dafür ist mehr Geld für die Bewältigung der Migrationskrise und für den Schutz der Grenzen da, insgesamt 5,2 Milliarden Euro. ... Die Slowakei muss konkret auf 69 Millionen Euro verzichten. Aber es wäre ihr nicht eingefallen, den Vorschlag zu blockieren. Genau darum geht es bei der 'flexiblen Solidarität'.“