Haben die Behörden im Fall Amri versagt?
Anis Amri, der verdächtigt wird, für den Anschlag in Berlin verantwortlich zu sein, wurde in Deutschland wegen möglicher Anschlagsplanungen monatelang überwacht. Zuvor hatte er Medienberichten zufolge in Italien im Gefängnis gesessen. Angesichts dieser Nachrichten ist eine Debatte darüber entbrannt, ob die Behörden versagt haben.
Das Recht ist scharf, man muss es anwenden
Die Debatte muss sich jetzt um das Versagen von Behörden drehen und nicht um eine Verschärfung der Asylpolitik, analysiert die Süddeutsche Zeitung angesichts der neuen Erkenntnisse zum Tatverdächtigen:
„Die Schilderung des nicht genutzten Instrumentariums ist wichtig, weil dies zeigt, dass man das Recht nicht auf den Kopf stellen muss, um Gefährder zu packen: Man kann, wenn man will. ... Das Recht ist scharf; man muss es anwenden. Mit Flüchtlingsrecht hatte der Fall Amri (anders als die öffentliche Debatte das nahelegt) in den letzten Monaten nichts mehr zu tun. Das Flüchtlingsrecht hatte ordentlich funktioniert: Der Asylantrag des Mannes war ziemlich schnell abgelehnt worden, schon im Juni 2016. Seitdem gilt das allgemeine Ausländerrecht, seitdem aber reihen sich die Behörden-Fehler. Die Zupack-Instrumente des Ausländerrechts lagen da; die Behörden ließen sie ungenutzt.“
Europa macht es den Terroristen zu leicht
Wenn man liest, wie der mutmaßliche Attentäter von Berlin über die Grenzen hinweg agieren konnte, ist es kein Wunder, dass die Menschen verunsichert sind, erklären die Salzburger Nachrichten:
„Die Liste [der] Schwierigkeiten, die es in der Zusammenarbeit zwischen den Sicherheitskräften in Europa gibt, lässt sich … lang fortsetzen. Sie sind dringend abzustellen. Technisch ist das möglich, was offensichtlich fehlt, ist der politische Wille. Die Probleme mit der inneren Sicherheit sind inzwischen zu einer ernsten Gefahr für ein Europa ohne Grenzen geworden. Kein Staat kann auf Dauer akzeptieren, dass Terroristen und Kriminelle in einer Art Katz-und-Maus-Spiel von einem Land ins andere wechseln. Gibt es keine wirksame europäische Zusammenarbeit, dann wird bald niemand mehr ohne Kontrollen durch Europa reisen. Auch unsere (noch) weltoffene Gesellschaft ist infrage gestellt. Für die ist ein starker Staat die Voraussetzung, der jederzeit und überall in der Lage ist, Frieden und Sicherheit zu garantieren.“
Totale Sicherheit gibt es nur mit Drohnen
Dass die Behörden keine totale Sicherheit garantieren können, betont De Standaard:
„Es ist die bittere Erfahrung von fast allen Polizeidiensten, dass ihre Überwachung nicht lückenlos ist. Immer rutschen Verdächtige durch die Maschen. ... Das beunruhigt besonders die Bürger. Politiker werden für härtere Maßnahmen plädieren, mehr Kameras, ein Patriot Act, vorbeugende Festnahmen. ... Auch in Deutschland wird es zweifellos eine Untersuchung zum Vorgehen der Behörden geben. Vielleicht wurden Fehler gemacht. Aber wie die belgische parlamentarische Untersuchungskommission zu den Anschlägen vom 22. März erfahren musste: Es ist nicht einfach, einen Sündenbock zu finden. ... Totale Sicherheit gibt es nur mit Drohnen. Aber in so einer Welt wollen wir nicht leben. Um frei zu sein, und das auch in tragischen Umständen zu bleiben, müssen wir realistisch sein.“
Berlin darf Europa nicht in Unsicherheit stürzen
Ein entschlosseneres und schnelleres Vorgehen gegen den Terror von Seiten der deutschen Regierung fordert Pravda:
„Die Deutschen kaprizieren sich auf eine gründliche Analyse von Ereignissen, anstatt schnell praktische Lösungen zu finden. Mit Unsicherheit können sie nicht umgehen. 'German Angst' ist auch ein Hindernis für internationale Anti-Terrorvereinbarungen. Damit nicht ganz Europa in Unsicherheit lebt, muss Merkel klar sagen, wie sie sich den Kampf gegen den Terrorismus vorstellt. Und ihre Vorstellungen muss sie dann auf internationaler Ebene durchsetzen. ... Nicht nur die deutsche Bundeskanzlerin, sondern auch Europa insgesamt hat nicht unendlich Zeit, zu einem gemeinsamen Konzept für den Kampf gegen den Terrorismus zu kommen – auch wenn das niemand zugeben will.“
Liberales Deutschland steht sich selbst im Weg
Die Schwäche der deutschen Polizei verhindert einen effektiven Kampf gegen Terrorismus, meint ABC:
„Kein deutscher Polizeichef will als hart gelten. Diese Schwäche kennen die Hilfsorganisationen für illegale Flüchtlinge. Sie sind von ideologischen, ethnischen oder mafiösen Gruppen unterwandert und wissen genau, dass man einen Polizeichef nur als Rassisten oder Rechtsradikalen diffamieren muss, um ihn fertig zu machen. ... Die Angst, als Nazi abgestempelt zu werden, hat die Polizei seit den 70er Jahren enorm politisiert. ... Und weil sie nicht der Gestapo oder der Stasi ähneln will, können in den Straßen keine Kameras aufgestellt werden, eines der effektivsten Überwachungsmittel, das es zum Beispiel in britischen Städten überall gibt. ... Kein Land ist so sehr in Dogmen und liberalstaatlichen Überzeugungen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts verankert wie Deutschland. Und das fesselt heute auf dramatische Weise die Kraft zur Selbstverteidigung der Gesellschaft.“