Kreml-Kritiker Nawalny erneut verurteilt
Der russische Oppositionelle Alexej Nawalny ist erneut zu fünf Jahren Haft auf Bewährung wegen Untreue verurteilt worden. Damit bestätigte der Richter ein erstes Urteil von 2013. Der Prozess gegen ihn wurde neu aufgerollt, nachdem der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg das erste Urteil als "willkürlich" bezeichnet hatte. Kann Nawalny trotz Strafe an den Präsidentschaftswahlen 2018 teilnehmen?
Rechtsstaat ist nicht einmal mehr Fassade
Die erneute Verurteilung des kremlkritischen Bloggers Alexei Nawalny ist nur ein Beispiel für die immer offenere Missachtung des Rechtsstaats in Russland, kritisiert die Neue Zürcher Zeitung:
„Im November widerrief der Kreml wütend seine Unterschrift unter dem Vertrag über den Internationalen Strafgerichtshof, nachdem dessen Chefanklägerin die Einnahme der Krim als kriegerischen Akt und Okkupation bezeichnet hatte. Übergeordnete Rechtsauffassungen zu ignorieren mag bequem sein, aber führt das Land nur stärker in die Isolation. Russlands Gerichte hätten sich im Fall Nawalny nicht einmal bemüht, den Anschein von Fairness zu erwecken, urteilte Strassburg vor einem Jahr. Dies trifft den Sachverhalt recht genau: Je autoritärer sich Putin gebärdet, desto weniger sorgt er sich noch um eine Fassade von Rechtsstaatlichkeit. Stattdessen zeigt sein Willkürregime nicht nur Nawalny, sondern auch dem Westen unverhüllt seine hämische Fratze.“
Opposition für vogelfrei erklärt
Der Fall Nawalny zeigt erneut, wie Oppositionelle in Russland systematisch verfolgt und ausgeschaltet werden, bemerkt De Volkskrant:
„Es ist deutlich, dass Putin in den letzten Jahren ein Klima geschaffen hat, in dem die Opposition fast für vogelfrei erklärt wurde. In der regierungstreuen Presse und im Staatsfernsehen werden Andersdenkende oft als 'fünfte Kolonne' bezeichnet, also als Landesverräter. Putin trug noch zum Gefühl von Straffreiheit bei, indem er dem Mann einen hohen Orden verlieh, der laut einem britischen Urteil Alexander Litwinenko mit radioaktivem Polonium umgebracht hat. Die lange Liste politischer Morde, alle an Mitgliedern der Opposition, sollte den Bewunderern des kräftigen Stils des russischen Präsidenten im Westen zu denken geben. Aber dort, wo man 'alternativen Tatsachen' anhängt, zählen Anstand, Freiheit und das Leben von anderen offenbar nicht.“
Noch ist Nawalny nicht aus dem Rennen
Nawalny kündigte an, er werde trotz der Verurteilung bei der Präsidentenwahl im März 2018 antreten. Das ist durchaus noch möglich, erläutert La Repubblica:
„Das Gesetz verbietet jedem, der eines schweren Vergehens schuldig gesprochen worden ist, zu kandidieren. Die Verfassung hingegen erkennt dieses Recht nur im Falle von Haftstrafen ab, nicht bei Haft auf Bewährung. Nawalny (der Berufung gegen das Urteil angekündigt hat) will genau diesen Widerspruch vor Gericht bringen. ... Vor dem Urteil waren viele Beobachter überzeugt, dass man Nawalny nicht an der Kandidatur hindern würde, um der Präsidentenwahl einen Anschein von Legitimität zu verleihen. ... Im ersten Prozess gegen Nawalny [2013] lautete das Urteil Gefängnis. Die Menschen gingen damals auf die Straße und einen Tag später hob das Gericht das Urteil auf und entließ Nawalny aus der Haft. Putin soll höchstpersönlich eingegriffen haben.“