Putin in Mordfall Litwinenko verwickelt?
Ein britischer Richter hält es für "wahrscheinlich", dass Wladimir Putin den Mord am Ex-Spion Alexander Litwinenko gebilligt hat. Dieser war 2006 nach einem Treffen mit zwei russischen Agenten an einer radioaktiven Vergiftung gestorben. Bekommt Moskau jetzt ein Problem?
Keine Geschäfte mehr mit Russland
Statt über die Verwicklung Putins in den Mordfall Litwinenko zu spekulieren, könnte der Westen etwas anderes tun, um seine moralische Glaubwürdigkeit wiederzuerlangen, fordert Edward Lucas im Blogportal Contributors:
„Es wäre hilfreicher, dem schmutzigen Geldfluss aus Moskau nachzugehen, der über das Londoner Finanzzentrum fließt. Banken, Anwaltskanzleien, Wirtschaftsprüfer und andere Menschen in Großbritannien haben mit unerhörter und schamloser Raffgier Geschäfte mit Russland betrieben. … Das Finanzzentrum in London störte sich auch 2006 nicht daran, Aktien von [dem russischen Mineralölkonzern] Rosneft an der Börse zuzulassen - nur wenige Wochen vor dem Mord an Litwinenko. Das ist so, als würde man Ausländern auf den Straßen Londons erlauben, gestohlene Ware zu verkaufen. Statt die Polizei zu rufen, drängeln sich unsere Banker, in dem Geschäft mitzumischen.“
Putins Macht bröckelt
Putin wird wie in früheren Fällen versuchen, das Opfer zu spielen und andere zu beschuldigen, doch könnte diese Strategie diesmal scheitern, meint die linksliberale Tageszeitung Libération:
„Putin ist nicht mehr der allmächtige Mann, der von seinem Volk dafür vergöttert wird, Russland wieder einen wichtigen Platz auf der internationalen Bühne verschafft zu haben. Zwar ist das Land geopolitisch wieder unabkömmlich geworden, wie man im Nahen Osten sieht, doch ist Putin in wirtschaftlicher Hinsicht in einer geschwächten Position. Der Rubel hat seit Beginn des Monats zwölf Prozent seines Werts verloren und der Preis des Öls (Moskaus wichtigste Einnahmequelle) sinkt weiter. Die russische Bevölkerung leidet und könnte sich umso schneller gegen ihren Helden wenden, zumal dieser die mageren Einkünfte des Landes für militärische Abenteuer im Ausland (Ukraine und Syrien) verwendet. ... Den europäischen Regierenden, bietet sich also die Gelegenheit, Druck auf den Kreml auszuüben.“
Moskau wird ungestraft davonkommen
Großbritannien sind im Mordfall Litwinenko die Hände gebunden und Russland weiß das ganz genau, analysiert die konservative Tageszeitung The Daily Telegraph:
„Wie kann man den Fall Litwinenko so angehen, dass man auch wirklich etwas bewirkt und gleichzeitig weiter mit Russland in der UN und in Bezug auf den Iran, Syrien und dem Kampf gegen den Terrorismus zusammenarbeitet? Da gibt es keine befriedigende Antwort. Sie existiert nicht. Russlands Wirtschaft ist wegen der brutalen Einmischung in der Ukraine schon weitreichenden Sanktionen ausgesetzt und die fallenden Ölpreise sind für das Land ebenso schmerzhaft. Zusätzliche finanzielle Sanktionen oder auch das Einfrieren von russischem Vermögen durch Großbritannien werden keine Wirkung auf die Überlegungen des Kremls haben. ... Die Moskauer Führungsriege um Putin wird einfach weiter Lügen verbreiten und dann angesichts der eigenen Schlauheit schmierig grinsen.“
Aufklärung dank Ukrainekonflikt
Dass die britischen Ermittler den Fall überhaupt aufgerollt haben, liegt an zwei Umständen, erinnert die konservative Tageszeitung El Mundo:
„Erstens die bewundernswerte Hartnäckigkeit der Witwe des Exagenten, Marina Litwinenko, die ihren unermüdlichen Kampf nicht aufgibt, die Wahrheit aufzudecken. Gestern freute sie sich darüber, dass ein Richter endlich Putin als Schuldigen benennt. Und zweitens die Abkühlung der Beziehungen zwischen der Europäischen Union und Russland aufgrund des Ukrainekonflikts. Denn nur in diesem gespannten Verhältnis - mit den EU-Sanktionen, die auf Moskau lasten - änderte die britische Regierung ihre Strategie und ordnete die Ermittlungen an, von denen man jahrelang nichts wissen wollte, um den Kreml nicht zu provozieren.“
Keinen Millimeter näher an der Wahrheit
Bewiesen ist die Ermordung Litwinenkos im Auftrag Putins nicht, auch wenn alle Spuren Richtung Kreml führen, bleibt die linke Tageszeitung Pravda vorsichtig in ihrer Bewertung:
„Auch nach der gestrigen Erklärung des britischen Richters, wonach der Mord an dem früheren russischen Agenten wahrscheinlich von Präsident Wladimir Putin gebilligt wurde, sind wir keinen Millimeter näher an der Wahrheit als vor zehn Jahren. ... Wir wissen, dass in Litwinenkos Körper radioaktives Polonium-210 gefunden wurde, das nur in Russland unter scharfer Kontrolle gefertigt wurde. Wir wissen, dass sich Litwinenko kurz vor seinem Tod mit den Agenten Lugovoj und Kovtun getroffen hat. ... Doch so lange Lugovoj und Kovtun nicht vor dem Richter in Großbritannien aussagen, muss jeder Kommentar das Wort 'wahrscheinlich' enthalten.“
Mehr Meinungen