Keine Versöhnung nach Wahl in Nordirland?
Bei der Wahl zum nordirischen Regionalparlament ist die protestantische Unionistenpartei DUP erneut stärkste Kraft geworden, knapp vor den katholischen Nationalisten von Sinn Féin. Die Koalition aus beiden Parteien war im Januar wegen eines Korruptionsskandals um die DUP-Chefin zerbrochen. Laut Karfreitagsabkommen müssen jedoch beide eine Regierung bilden, um den Friedensprozess zu unterstützen. Driften Nordirlands konfessionelle Lager wieder auseinander?
Stammesdenken regiert weiter
Dass die von einem Skandal erschütterte DUP kaum Stimmen verloren und Sinn Féin Stimmen dazu gewonnen hat, zeigt, wie verhärtet die Fronten zwischen Protestanten und Katholiken weiter sind, klagt The Irish Times:
„Die Wahl in Nordirland hat nichts gebracht. Sie hat nur wieder einmal auf die Tatsache hingewiesen, dass die Institutionen und die politische Kultur in einer Gewohnheit des konfessionellen Köpfezählens feststecken. Es ist nicht nur so, dass die Wähler leider weiterhin treu und sogar in zunehmender Zahl jene Parteien wählen, die am stärksten das Stammesdenken betonen. Die spezifische Dynamik innerhalb der Gemeinschaften verhindert zudem, dass intern irgendwer zur Verantwortung gezogen wird. Der Unionismus und seine Wähler sind davon getrieben, Sinn Féin um jeden Preis besiegen zu müssen. Sie sind offenbar nicht imstande, im eigenen Lager Ordnung zu schaffen.“
Konfessionelle Lager brechen auf
Positive Schlüsse zieht hingegen die taz aus dem Wahlergebnis:
„Zum ersten Mal gab es … vorsichtige Anzeichen, dass die Trennlinien zwischen den katholisch-nationalistischen und protestantisch-unionistischen Lagern überschritten worden sind. Die Social Democratic and Labour Party (SDLP) und die Ulster Unionist Party (UUP), die vor nicht allzu langer Zeit die Politik in Nordirland dominierten, hatten vor der Wahl dazu aufgerufen, in bestimmten Wahlkreisen die Zweitstimme der jeweils anderen Partei zu geben, um die gemäßigten Fraktionen im Regionalparlament zu stärken. Das hat bedingt geklappt. Es waren nur wenige Wähler, die dem Aufruf gefolgt sind, aber diese haben in einigen Wahlkreisen den Ausschlag gegeben, sodass die [protestantische] DUP dort Sitze verlor. Positiv ist auch zu vermerken, dass die DUP nicht die für ein Veto notwendigen 30 Mandate bekommen hat. Nun könnte Nordirland theoretisch ins 21. Jahrhundert eintreten und zum Beispiel gleichgeschlechtliche Ehen sowie Abtreibung legalisieren, was die DUP bisher verhindert hat.“
Wiedervereinigung Irlands wird zur Alternative
Interne Probleme der pro-britischen Unionisten und der anstehende Brexit könnten viele Nordiren dazu bringen, sich von London ab- und Dublin zuzuwenden, glaubt The Times:
„Der Unionismus ist in eine Krise geschlittert. Solidarität und Hausmacht brechen weg, während die irischen Nationalisten sich zufrieden zurücklehnen und das Ganze beobachten. Nordirlands Wähler haben ihre Köpfe aus den Schützengräben gesteckt und schauen sich nach Alternativen um. Die britische Regierung bietet ihnen oberflächliche Versprechungen, aber keine Garantie, dass der Austritt aus der EU, aus dem Binnenmarkt und vermutlich der Zollunion nicht zur Wiedererrichtung einer harten Grenze mit der Republik Irland gegen den freien Waren- und Dienstleistungsverkehr führen wird. Die offensichtliche Alternative in diesem Fall ist eine harte Grenze an den britischen Häfen gegen Einreisende aus Irland oder Nordirland - womit das Zusammengehörigkeitsgefühl gefördert wird.“