Borissow-Partei siegt in Bulgarien
In Bulgarien hat die pro-westliche, konservative Gerb-Partei die vorgezogene Parlamentswahl am Sonntag vor den pro-russischen Sozialisten gewonnen. Damit wird Bojko Borissow mit hoher Wahrscheinlichkeit zum dritten Mal Premier des Landes. Warum die Bulgaren ihm bei allen Fehlern stärker vertrauen als den euroskeptischen Parteien, erklären die Kommentatoren.
Regierungspartei ist alternativlos
Wen sonst, außer Borissows Gerb-Partei, sollen die Bulgaren wählen?, fragt sich Dnevnik:
„Gerb ist die einzige Partei in der Politikgeschichte der Welt, die vier aufeinanderfolgende Wahlen gewonnen hat, ohne auch nur ein einziges Mandat zu Ende geführt zu haben. Dafür kann es nur einen Grund geben: dass den Bürgern keine echte Alternative geboten wird. Die BSP, Nachfolgerin der Bulgarischen Kommunistischen Partei, die in den vergangenen acht Jahren stets als zweitstärkste politische Kraft hervorging, ist keine Alternative zu Gerb und sie kann es auch nicht sein. Das politische System Bulgariens funktioniert nach wie vor nach dem Prinzip, dass egal, welches Wahlergebnis die ehemaligen Kommunisten erzielen, die Stimmen gegen sie immer überwiegen werden.“
Borissow muss Reformen vorantreiben
Nach seinem Sieg muss der alte und voraussichtlich neue Premier Borissow endlich Reformen vorantreiben, um die Wähler nicht zu verprellen, fordert Der Standard:
„Die Enttäuschung über stockende Reformen verführte die Menschen nicht zur Abkehr von den nach wie vor starken Sympathien für die EU. Das entspricht jenen Umfragen, denen zufolge die Bulgaren den EU-Institutionen mehr vertrauen als den eigenen in Sofia. Für Borissow ist das Wahlergebnis genau deshalb kein Freibrief zum Weiterwursteln. Wenn nicht bald Reformen und Korruptionsbekämpfung greifen, könnte ausgerechnet seine proeuropäische Orientierung zur inhaltsleeren Hülse verkommen - und die Hoffnungen in die EU diskreditieren.“
Bulgaren verzeihen Borissow alles
Den erneuten Sieg Borissows und seiner Gerb-Partei kann e-vestnik nur schwer verdauen:
„Ein paar Tage vor der Wahl veröffentlichte das Investigativportal Bivol einen kurzen Artikel, der belegt, dass der ehemalige [Gerb-]Wirtschaftsminister Delyan Dobrev zusammen mit Partnern und Verwandten umgerechnet 51 Millionen Euro durch staatliche Ausschreibungen erhalten hat. Nicht ein, nicht zwei, sondern 51 Millionen. Und das ist nur die Spitze des Eisbergs aus der Regierungszeit von Gerb, doch die Wähler scheint das nicht zu stören. Die Toleranzschwelle für Korruption ist hoch und jegliche Fakten, die zeigen, dass Borissow das Gesetz mit Füßen tritt, werden von den Medien und der Gesellschaft ignoriert. Borissow wird alles verziehen. Man gibt ihm sogar das Recht, weiter zu machen.“
Wahlergebnis ist gekauft
Der Anteil gekaufter Stimmen dürfte bei dieser Wahl erschreckend hoch gewesen sein, schlussfolgert die sozialistische Tageszeitung Duma, nachdem Bulgariens Generalstaatsanwalt bekanntgab, dass es mehr Hinweise auf Stimmenkauf gegeben habe als bei der Wahl im Jahr 2014:
„Als damals die gekauften Stimmen auf mehr als eine halbe Million geschätzt wurden, schien das unglaublich. Anscheinend geht aber noch mehr. ... Änderungen im Wahlgesetz kurz vor der Wahl und die verschenkten Lebensmittel-Tüten mit Partei-Logo sind Teil des Sujets. Dazu gehört auch das Feilschen um Stimmen in den Roma-Vierteln, das am gestrigen Wahlnachmittag seinen Höhepunkt erreichte. Das Kopf-an-Kopf-Rennen der Parteien trieb sogar die Preise hoch - in [Bulgariens größtem Roma-Viertel] Stolipinovo gab es bis zu 200 Lew [rund 100 Euro] für eine Stimme. ... Und uns versucht man mit Grenzblockaden und dem Märchen von ausländischer Einflussnahme Sand in die Augen zu streuen.“