Kroatiens Koalition zerbricht an Agrokor-Rettung
In Kroatien spitzt sich die durch die Finanzprobleme des Agrokor-Konzerns ausgelöste politische Krise zu. Weil Finanzminister Zdravko Marić wegen Verbindungen zu dem Unternehmen in der Kritik steht, zerbrach die Regierungskoalition aus rechtskonservativer HDZ und Reformpartei Most. Premier Plenković will nun ohne Most weiterregieren, das Misstrauensvotum im Parlament überstand Marić nur knapp. Kommentatoren werfen der Politik vor, das Land ins Chaos zu stürzen.
Das Land steht am Abgrund
Jutarnji List richtet an die beiden großen Parteien Kroatiens, die regierende HDZ und die oppositionelle SDP, den dringenden Appell, das Land nicht ins Chaos zu stürzen:
„Das Ergebnis des Misstrauensvotums gegen Marić mit 75 zu 75 Stimmen kann man schwerlich als Sieg der HDZ verstehen, auch wenn der Finanzminister zumindest vorerst seinen Job behält. Aber es ist auch kein Sieg der offensichtlich zersplitterten Opposition. Es ist wohl eher der Beginn des politischen und wirtschaftlichen Chaos. Was uns erwartet? Die dümmliche Parlamentsschlacht spricht nicht dafür, dass wir bei einer erneuten vorgezogenen Neuwahl mit einer irgendwie gearteten neuen Qualität der politischen Szene in Kroatien rechnen können. ... Deshalb müssen unsere beiden Mainstream-Parteien beginnen, miteinander zu kommunizieren, um zumindest das Funktionieren der wichtigsten staatlichen Institutionen zu gewährleisten. Der selbstzerstörerische Prozess, in den die Politik Kroatien manövriert hat, muss aufhören. Wir stehen am Abgrund.“
Große Parteien haben Zeitenwende verpasst
Auch Delo sieht Kroatien nur wenige Monate nach der letzten Wahl erneut in einer politischen Sackgasse:
„Die konservative HDZ, die sich wieder in einer misslichen Lage befindet, beharrt auf der Suche nach und der Bestätigung ihrer selbst. Die neue Parteiführung, mit Andrej Plenković an der Spitze, will beweisen, dass die Partei angeblich inhaltlich neu aufgestellt ist. Im linken Spektrum gibt es nun anstelle des arroganten Zoran Milanović den zunehmend verloren wirkenden Davor Bernardić. Bei fast jedem seiner öffentlichen Auftritte 'beweist' er, dass er noch weit davon entfernt ist, eine reife Politik zu machen und stattdessen auf Populismus setzt, und zwar meist auf Kosten Sloweniens. Die Reformpartei Most bleibt ein störendes Element der kroatischen Demokratie, die nur die beiden Parteien HDZ und SDP gewohnt ist. Diese beiden Parteien wiederum sehen nicht, dass die Zeit der stabilen Regierungen und der einfachen Bildung einer parlamentarischen Mehrheit seit Jahren passé ist.“
Premier will Machenschaften verbergen
Premier Plenković stürzt das Land ins Chaos, nur um die Machenschaften zwischen HDZ und Agrokor zu schützen, wettert Novi list:
„Agrokors Geheimnisse und die undurchsichtigen, netzwerkartigen Beziehungen des Konzerns zu den Parteistrukturen der HDZ scheint Plenković mit allen Mitteln schützen zu wollen, selbst um den Preis, dass die Regierung auseinander bricht. ... Anders ist der verzweifelte Rettungsversuch von Finanzminister Marić [der vorher bei Agrokor beschäftigt war] nicht zu verstehen. Diese Tatsache sagt viel über Agrokor aus und noch mehr über die HDZ. So wurde über Nacht der selbsternannte Apostel der Stabilität [Plenković] zum Hauptakteur neuer politischer Unsicherheiten. Dabei scheint es ihm egal zu sein, ob er das selbstinszenierte Drama mit einer Neuformierung der Koalition zu Ende bringen kann - was wenig wahrscheinlich ist -, oder der ganze Schlamassel zur zweiten außerordentlichen Parlamentswahl innerhalb eines Jahres führen wird.“
Mutige Entscheidung von Plenković
Jutarnji list lobt hingegen die Entscheidung des Premiers:
„Gestern hat Andrej Plenković staatsmännische Größe bewiesen, etwas, das wir schon lange nicht mehr in Kroatien erlebt haben. Wegen Agrokor befindet sich Kroatien in einer schweren Krise und es gilt gegenüber den Banken und der EU Stabilität zu beweisen. Da kann man nicht einfach einen erfolgreich arbeitenden, parteilosen Fachmann feuern, nur weil er mal bei Agrokor gearbeitet hat. Jetzt muss Plenković die üblichen und ebenso sinnlosen Angriffe und Beschuldigungen der Opposition und seines bisherigen Koalitionspartners ertragen, er stürze das Land in eine verfassungsrechtliche Krise. So bleibt nur zu hoffen, dass die Politik der staatsmännischen Sensibilität überleben wird, die Plenković verkörpert, und nicht wieder pathetisch aufgeblähter Populismus die Zukunft unseres Landes bestimmt.“