Athen wagt sich wieder an die Finanzmärkte
Griechenland ist rund ein Jahr vor Ende des dritten Hilfspakets an die Finanzmärkte zurückgekehrt. Nach dreijähriger Pause gab Athen am Dienstag wieder eine Anleihe aus und sammelte rund drei Milliarden Euro ein. Viele Journalisten glauben allerdings, dass es für Athen noch ein langer Weg hin zur finanziellen Eigenständigkeit ist.
Wichtiger Schritt in Richtung Normalität
Für Financial Times ist die Rückkehr Griechenlands auf den Kapitalmarkt eine erfreuliche Nachricht:
„Die Ausgabe der Anleihe legt nahe, dass Investoren zunehmend darauf vertrauen, dass Griechenland den Weg schmerzhafter Reformen weiter gehen wird. Und dass die Gläubiger trotz politischer Hürden letztlich dem Schuldenerlass zustimmen werden, der notwendig ist, um die Staatsfinanzen des Landes auf eine tragfähige Basis zu stellen. ... Griechenlands Rückkehr auf den Kapitalmarkt ist kein Allheilmittel – aber ein willkommenes Anzeichen dafür, dass die Normalität zurückkehrt. Nach so vielen Fehlstarts könnte er für einen dringend nötigen Vertrauensschub sorgen.“
Zurück im Jahr 2014
Panagis Galiatsatos, Wirtschaftskorrespondent der Neuen Zürcher Zeitung in Athen, sieht hingegen nur wenig Grund zum Jubeln:
„In Wirklichkeit ist Griechenland nämlich bloss wieder da, wo es im April 2014 gestanden hatte. Damals wagte Athen den Gang an die Märkte unter vergleichsweise schwereren Bedingungen. Es gab kein Quantitative-Easing-Programm der EZB, und das Zinsniveau in der Euro-Zone war höher als heute. In Griechenland selbst war eine radikale Opposition im Kommen, die die Anleger verunsicherte. Heute dagegen gibt es kein politisches Risiko, die konservative Nea Dimokratia, die unangefochten in den Umfragen führt, gilt als marktfreundlich und programmkonform. Auch damals wurde die Emission ein Erfolg ... Der Erfolg war aber nicht nachhaltig, es folgte nichts. Jeder Börsenmakler mit ein bisschen Griechenland-Erfahrung wird deshalb berechtigte Zweifel hegen, ob es diesmal anders wird.“
Schon kleinste Turbulenzen wären fatal
Auch Der Standard ist misstrauisch und warnt, dass auf dem Weg zur Normalisierung noch viele Stolpersteine liegen:
„Für Griechenland und die Eurozone ist das Vertrauen der Anleihegläubiger ein positives Signal. In gut einem Jahr soll das Land ja wieder ohne Hilfen der Währungsunion und des IWF über die Runden kommen. Doch für Euphorie gibt es keinen Anlass. Die erfolgreiche Begebung der Anleihen ist zu einem guten Teil der Jagd nach Rendite geschuldet, die längst bedenkliche Ausmaße angenommen hat. Es würden wohl schon kleinere ökonomische oder politische Turbulenzen reichen, um das fragile Finanzgerüst zum Einsturz zu bringen.“
Der Weg hierher war steinig
To Vima wiederum blickt in ihrer Online-Ausgabe auf den schmerzhaften Prozess zurück, der der Rückkehr an den Kapitalmarkt vorausging:
„Die Regierung mag heute feiern, aber wir alle erinnern uns an die Absurditäten ihrer Politik. … Es waren neue Sparmemoranden und dramatische Belastungen für Unternehmer und Bürger nötig, um zu erkennen, wie nützlich es ist, sich von diesen verdammten Märkten Geld zu leihen. Es dauerte drei Jahre, in denen Tsipras und die anderen Führungskräfte auf unsere Kosten die Kunst des Regierens erlernten, damit wir wieder Geld leihen können. Unter Bedingungen, die weit entfernt sind von den eigentlich auf den internationalen Märkten herrschenden Bedingungen.“
Tsipras hat es geschafft
Das Webportal Protagon bedauert, dass Griechenland nicht schon zu viel niedrigeren Zinsen Geld bekommt, freut sich aber dennoch über den Schritt:
„Wenn wir den 'Unfall' von 2015 nicht verursacht hätten [Referendum und Kapitalverkehrskontrollen], könnten wir seit Langem Geld zu ähnlichen Zinsen leihen wie Portugal. Der aktuelle Zinssatz Portugals für fünf Jahre beträgt 1,25 Prozent. Dieser könnte auch für uns gelten. ... Es ist jedoch wichtig, das Verdienst dieser Regierung zu betonen: Ihr absoluter Kompromiss mit der Troika hat das populistische Monster beseitigt, das die beliebten Führer mit so viel Sorgfalt in den vergangenen Jahrzehnten gezüchtet hatten. Und dies ist wahrscheinlich die größte Reform von allen.“
Noch lange keine Normalität
Kathimerini betont, dass dem Land mit der Rückkehr an die Märkte noch nicht geholfen ist:
„Wir alle wollen eine Rückkehr zur Normalität, und das Land braucht sie dringend. Allerdings reichen eine einzelne Emission von Anleihen oder die abschließende Überprüfung der Umsetzung des Rettungsprogramms nicht aus. Damit das Land wieder normal wird, braucht es starke und funktionierende Institutionen. Voraussetzung für Investitionen innerhalb und außerhalb Griechenlands sind eine funktionierende Justiz, Sicherheit und Regeln, die für alle gelten. Es sind die Institutionen, die ein Land vor der Ungewissheit schützen. … Doch die gegenwärtige Regierung scheint dies nicht zu verstehen.“
Achtung Bumerang!
Der Verfassungsrechtler Kostas Botopoulos warnt in Ta Nea vor den Risiken einer Ausgabe griechischer Staatsanleihen:
„Es ist kein Zufall, dass Politiker erst einmal einen Test empfehlen, während die überwiegende Mehrheit der Ökonomen glaubt, dass es noch zu früh für diesen Schritt ist. ... Da die Marktkurse für die griechischen Anleihen in jedem Fall viel höher sein werden als das, was unser Land bezahlt, um durch das Hilfsprogramm Kredite zu bekommen, ist es wichtig, dass diese Testausgabe sich nicht zu einem Bumerang entwickelt. Uns würde das Lachen im Halse stecken bleiben, wenn die Kreditgeber sagten: Jetzt, wo ihr Überschüsse erzielt und auf die Märkte zurückkehrt, kommt ihr auch ohne unsere Hilfe zurecht.“
Athen darf Vertrauen nicht verspielen
Die Rückkehr an die Märkte ist nicht mehr als ein PR-Trick der griechischen Regierung, kritisiert Naftemporiki:
„Regierungsbeamte haben in den letzten Tagen hohe Erwartungen geweckt. … Ob Griechenland nächste Woche an die Märkte zurückkehrt oder nicht, hat tatsächlich wenig Bedeutung. Es gibt keinen wichtigen wirtschaftlichen Grund und das einzige Motiv liegt auf kommunikativer Ebene oder in der Innenpolitik. Ob die derzeitige Regierung einen günstigeren Zinssatz erreichen kann als die Vorgängerregierung unter Antonis Samaras, interessiert faktisch niemanden. Was wäre wichtig? Die Glaubwürdigkeit und das Vertrauen zu bewahren, die das Land nach vielen Opfern in Höhe von Milliarden von Euro erworben hat.“