Wie gefährlich ist der Streit um den Tempelberg?
Der Streit um Sicherheitsmaßnahmen am Tempelberg in Jerusalem hat mindestens acht Todesopfer gefordert. Nach einem tödlichen Anschlag auf Polizisten hatte Israel Kontrollen mit Metalldetektoren an den Zugängen zur heiligen Stätte der Muslime eingeführt. Palästinenserpräsident Abbas fror daraufhin alle Kontakte zu Israel ein. Welche Dimensionen der Konflikt annehmen kann, skizzieren Kommentatoren.
Bewusste Eskalation
Innenpolitische Motive auf israelischer und palästinensischer Seite verschärfen die Situation, beobachtet der Tages-Anzeiger:
„Israels Premier Benjamin Netanyahu wurde von seinem Geheimdienst gewarnt. Und er wurde darüber informiert, dass Kontrollposten der Sicherheit eher abträglich sind, wenn sich nach dem Ruf zum Gebet binnen Minuten Tausende Gläubige vor der Sperre drängen. Aber auch Palästinenserpräsident Mahmud Abbas wusste, welche Register er bedient, wenn er einen 'Tag des Zorns' ausruft. Er wusste, dass in aufgeheizter Atmosphäre jede Demonstration in Gewalt umschlagen würde. Auch er versucht, mit der Krise innenpolitisch zu punkten, weil er der radikalislamischen Hamas nicht den Widerstand überlassen will.“
Ein Geschenk für alle Extremisten
Die aktuelle Krise könnte eine neue Welle der Radikalisierung nach sich ziehen, fürchtet Der Standard:
„Die Krise um den Tempelberg beziehungsweise den heiligen Bezirk der Muslime hat das Potenzial, zu einem neuen, starken Rekrutierungsargument von religiösen und politischen Extremisten zu werden. Es wird nicht schwer sein, viele Muslime davon zu überzeugen, dass es eine Verbindung zwischen den aktuellen israelischen Maßnahmen und der radikalen Bewegung gibt, die die Öffnung des Tempelbergs für Juden verlangt. Da kann der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu noch so sehr beteuern, dass der Status quo auf dem Tempelberg ... nicht angetastet wird. Auf dem Tempelberg bekommt der Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern eine religiöse Dimension - zuungunsten möglicher rationaler Lösungen.“