Darf man die DNA von Embryos verändern?
Erstmals ist es Wissenschaftlern gelungen, gezielt ein defektes Gen bei menschlichen Embryonen zu entfernen und zu ersetzen. Das Forscherteam vom Zentrum für Zell- und Gentherapie in Portland weist damit möglicherweise den Weg in eine Zukunft, in der bestimmte Krankheiten bereits im Embryo geheilt werden. Europas Kommentatoren diskutieren, wie weit man dabei gehen darf.
Wer will nicht ein gesundes Baby?
Financial Times hält die Forschung für gut und richtungsweisend:
„Kritiker warnen vor einem Dammbruch: Technologie, die aus medizinischen Gründen entwickelt wurde, könnte später für fragwürdige Zwecke eingesetzt werden, wie etwa die Schaffung von Designer-Babys mit verbesserten athletischen Fähigkeiten, höherer Intelligenz und schönerem Aussehen. Das Argument rechtfertigt strenge Kontrollen, um derartigen Missbrauch zu verhindern. Es darf aber nicht als Grund dienen, Forschungstätigkeit zu unterbinden, deren Ziel es ist, menschliches Leid zu lindern. ... Die Zahl der Nutznießer ist vielleicht zunächst noch klein. Doch auf lange Sicht verspricht die Technologie so viel, dass die Gesellschaft einen Rahmen für ihre klinische Weiterentwicklung schaffen muss. Gesunde Babys sind schließlich ein hehres Ziel.“
Erinnern wir uns an Ikarus
Der Mensch muss aufpassen, dass er nicht zu weit geht, mahnt El Mundo:
„Der Drang, den Göttern nachzueifern, hat die Menschheit immer wieder dazu getrieben, scheinbar Unerreichbares zu verwirklichen. Doch, wie uns die Sage von Ikarus lehrt: Alles hat seine Grenzen. Ikarus’ wächserne Flügel erlaubten ihm zwar das Fliegen. Doch in seinem grenzenlosen Ehrgeiz näherte er sich der Sonne so sehr, dass sie schmolzen und Ikarus ins Meer stürzte. ... Wir glauben, dass Genveränderung und -selektion erlaubt sein sollten, sofern dadurch im Rahmen der Biotechnologie Krankheiten wie Alzheimer gelindert werden können. Doch unter keinen Umständen darf das in abartige Praktiken wie die Eugenik oder Erzeugung von Designerbabys münden, die bislang noch Science Fiction sind und es auch immer bleiben müssen.“
Wenn die Tür erst mal geöffnet ist...
Es müssen nun schnell klare Regeln her, fordert La Croix:
„Die in Oviedo ausgehandelte Bioethikkonvention [des Europarats von 1997], die von den meisten [Mitglieds-]Ländern unterzeichnet wurde, erlaubt Eingriffe in das menschliche Erbgut nur dann, wenn diese nicht darauf abzielen, eine Veränderung des Genoms von Nachkommen herbeizuführen. Und genau darum geht es hier. Die Risiken solcher Eingriffe müssen ernsthaft abgewägt werden: Das Genom gehört zu unserem Erbe und muss geschützt werden. Es ist schließlich bekannt, wie schwierig es ist, eine einmal geöffnete Tür wieder zu schließen. Es muss schnellstens ein Rahmen für die Anwendung dieser Technologie geschaffen werden, der ihre Nutzung auf medizinische Zwecke begrenzt.“
Nicht vorschnell verteufeln
Die Angst vor Designer-Babys ist kein Grund, die Forschung zu verdammen, warnt die Neue Zürcher Zeitung:
„[B]ei den derzeitigen Forschungsbemühungen geht es nicht um die Optimierung des Menschen, sondern darum, Krankheiten zu heilen und Leid zu verhindern. Aus Angst vor dem Potenzial der Technik die ganze Forschung zu verteufeln, wäre ähnlich unangebracht, wie das Internet zu verdammen, weil darüber Unwahrheiten verbreitet oder Terrorakte geplant werden können. Mit jeder technischen Errungenschaft kann man grossen Nutzen, aber auch grossen Schaden anrichten. Deshalb ist es wichtig, die Risiken im Auge zu behalten und gemeinsam zu definieren, unter welchen Bedingungen ein Eingriff ins Erbgut gerechtfertigt ist, aber auch, wann man das Experiment überhaupt wagen darf, einen genveränderten Embryo in eine Frau einzusetzen.“