Kann der Terror Spanien einen?
Zehn Tage nach dem Anschlag in Barcelona haben dort rund eine halbe Million Menschen gegen Terror und Gewalt sowie für Solidarität demonstriert. Aus der Menschenmenge ertönten jedoch auch Pfiffe und Buhrufe gegen König Felipe und Premier Rajoy, die an der Demo teilnahmen – was die Wut einiger Kommentatoren auf sich zieht. Andere hingegen loben die Spanier für ihre Einheit.
Nationalismus ohne Solidarität
Die Solidarität mancher Demonstranten reicht offenbar nicht über die Grenzen Kataloniens hinaus, schimpft La Repubblica über die Buhrufe auf der Großdemo in Barcelona:
„Offenkundig konnten die Verfechter des katalanischen Nationalismus nicht der Versuchung widerstehen, die Gelegenheit zu nutzen, um ihre Präsenz und Rolle zu unterstreichen. Auf einer Kundgebung mit mehreren Hunderttausend Menschen ist das leicht. Es ist dabei unwahrscheinlich, dass die Buhrufer die Mehrheit bildeten, doch haben sie die Schlagzeilen erobert. Leider ging das auf Kosten von anderem, was weitaus relevanter ist und in den Hintergrund gerückt wurde: In erster Linie die große Solidarität eines ganzen Landes – eben genau die, die durch die Gegenwart des Staatschefs und des Regierungschefs bezeugt wurde.“
Risse in der Fassade
Wenig Hoffnung, dass der Terror das Land zusammenschweißt, hat die Frankfurter Allgemeine Zeitung:
„In erschreckend kurzer Zeit verfolgten katalanische und spanische Politiker nach den Attentaten jeden Schritt der anderen Seite voller Misstrauen. Kurz vor dem politischen Showdown ist in Barcelona offenbar noch der kleinste Imagegewinn wichtiger als Einigkeit im Kampf gegen den Terror. Wahrscheinlich in der ersten September-Woche wird das katalanische Parlament das Gesetz für die Volksabstimmung am 1. Oktober verabschieden. … Der Brexit zeigt, wie teuer und unsinnig die Folgen einer politischen Scheidung sein können. Doch es sieht nicht danach aus, als könnte sich in letzter Minute Vernunft Bahn brechen. Stattdessen steht zu befürchten, dass die Bilder der Einheit vom Samstag bald der Vergangenheit angehören werden.“
In der Demokratie haben alle Platz
El País hingegen sieht das demokratische Volk vereint in der Ablehnung gegen den Terror:
„Glücklicherweise haben die großen spanischen Parteien bislang der Versuchung widerstanden, die Großdemonstration parteipolitisch zu instrumentalisieren. Damit sollten sie jetzt nicht scheitern. Wenn es etwas Positives zu der Demonstration zu sagen gibt, ist es, dass in unserer Demokratie alle einen Platz haben. Schließlich sind alle auf die Straßen der Stadt gegangen, die jüngst vom Terrorismus heimgesucht wurde: vom König über die Vertreter aller nationalen Parteien bis zu den Vertretern der Regionen und Kommunen. Genau so wie alle in einem Rechtsstaat Platz haben, der sich gegen die Angst vor dem Terror wehrt.“