Österreich steuert auf rechte Koalition zu
Die Österreicher wählen am Sonntag ein neues Parlament - ein Jahr früher als geplant. In Umfragen liegt die konservative ÖVP mit 33 Prozent in Führung, gefolgt von der rechtspopulistischen FPÖ (27 Prozent) und der sozialdemokratischen SPÖ (23 Prozent). Der Wahlkampf ist indes mit der Affäre um gefälschte Facebook-Seiten zuletzt in eine Schlammschlacht abgeglitten. Wie blickt Europa auf die Nationalratswahl?
Das bittere Erbe der "Ewigen Großen Koalition"
Österreichs politische Traditionen der Nachkriegszeit sind tot - und am Grab triumphieren die Rechten, beschreibt der Deutschlandfunk:
„Bis auf die Kreisky-Jahre und die schwarz-blauen Chaos-Jahre unter Kanzler Schüssel, der sich mit der Haider-FPÖ ins Koalitionsbett legte, war die Große Koalition das politische Vorzugsmodell in Österreich. Es garantierte nach dem Zweiten Weltkrieg Stabilität. ... Aber die Große Koalition teilte die Alpenrepublik auch in politische Einfluss-Sphären auf: Rot oder Schwarz, das war die etwas dürftige Farbauswahl. Ein Einfallstor für Freunderlwirtschaft und Hinterzimmer-Absprachen. Das hat die FPÖ groß gemacht, so groß wie sie jetzt ist. ... Ein deutlicher Rechtsruck steht bevor. Grüne gespalten, Liberale zu schwach, Sozialdemokraten am Boden. Das ist das Erbe der Ewigen Großen Koalition. Sie ist ein Fall für den Zentralfriedhof.“
FPÖ steckt ihr Revier bereits ab
Wie stark die FPÖ als Koalitionspartner die Regierungspolitik bestimmen würde, überlegt der Kurier:
„Parteichef Strache verlangt das Innenministerium und regelmäßige Volksabstimmungen, und sei es über einen EU-Austritt, den er aber gar nicht wolle, wie er sagt. Kein Wunder, dass ÖVP-Chef Kurz zuletzt stärker über Europa geredet hat, ein klares Signal an Brüssel und unsere Wirtschaft. Außenpolitisch ist die FPÖ neutral, auch Russland gegenüber, das militärisch in der Ukraine engagiert ist. Das wird in der EU Diskussionen auslösen. Die FPÖ verspricht steuerliche Entlastung, wie alle anderen auch. Und in der Migrationsfrage gibt es zur ÖVP keine und zur SPÖ kaum noch Unterschiede. Offen ist, ob und wie er die Rechtsaußen seiner Partei im Griff haben wird.“
Mit Transparenz gegen Schmutzkampagnen
Mit Blick auf die Debatte um gefälschte Facebookseiten hat ÖVP-Chef Sebastian Kurz sich für die Einführung eines Straftatbestands "Dirty Campaigning" ausgesprochen. Auch Der Standard fordert Maßnahmen gegen Schmutzkampagnen:
„Früher gab es Wahlkampf-Schiedsgerichte wegen Manner-Schnitten und Zuckerlverteilung. Dadurch wurde gewiss keine Wahl entschieden. Mit Microtargeting oder Dark Ads [Anzeigen in sozialen Netzkwerken für bestimmte Zielgruppen] kann man heute aber Wahlen durch unlautere Methoden gezielt steuern. Hier geht es nicht um die Verschiebung einzelner Stimmen, sondern um die Gefährdung der Demokratie durch Manipulation. ... Ein Internetschiedsgericht parteiunabhängiger Experten könnte das Vorgehen der Politik kontrollieren. ... Transparenz garantiert mehr Sauberkeit - schon vor möglichen Strafen.“
FPÖ-Kopieren wird zur Erfolgsstrategie
Angesichts des Vorsprungs der ÖVP glaubt die Tageszeitung Financial Times, dass Parteichef Sebastian Kurz ein Rezept gegen die FPÖ gefunden haben könnte:
„Kurz, seit Mai Chef der ÖVP, hat diese als Rechtspartei neu erfunden. Ihr harter Kurs gegen Migranten und den Islam ist in mancherlei Hinsicht kaum von dem der FPÖ zu unterscheiden. Kurz' Aufruf zur Schließung von islamischen Kindergärten, weil diese eine 'Parallelgesellschaft' in Österreich schaffen könnten, hat spöttische Strategen der Freiheitlichen Partei dazu veranlasst, ihm politischen Ideendiebstahl vorzuwerfen. ... Sollte Kurz die Wahl am 15. Oktober klar gewinnen, werden andere Mitte-rechts-Parteien in Europa ihre Schlüsse daraus ziehen.“
Der Wahlsieger steht schon fest
Für die Neue Zürcher Zeitung hingegen ist die FPÖ bereits der Gewinner der Wahl:
„Die langanhaltende Stärke der FPÖ ist ... eine direkte Folge der grossen Koalition, ihrer vermeintlichen Alternativlosigkeit und ihres unumschränkten Machtgebarens. ... Seit Jahren treibt die FPÖ die anderen Parteien vor sich her. Unter diesem Druck hat die Regierung in der zu Ende gehenden Legislaturperiode das Asylrecht stetig verschärft, Grenzbarrikaden errichtet, ein Verbot der Vollverschleierung beschlossen und die EU-Personenfreizügigkeit infrage gestellt. All dies stösst in der Bevölkerung auf grosse Zustimmung. Einst als radikal geltende freiheitliche Positionen sind längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen.“