Ausnahme-Wahlkampf in Katalonien
Vor den vorgezogenen Regionalwahlen in Katalonien am 21. Dezember gehen die spanischen Behörden weiter gegen Separatisten vor. Der Rechnungshof beschlagnahmte am Dienstag das Haus des früheren katalanischen Ministerpräsidenten Artur Mas. Den Europäischen Haftbefehl gegen den abgesetzten und nach Belgien geflohenen Ministerpräsidenten Carles Puigdemont hat die spanische Justiz zurückgezogen, der spanische Haftbefehl besteht weiter. Spaniens Medien werfen Schlaglichter auf einen ungewöhnlichen Wahlkampf.
Keine Gnade für kriminelle Separatisten
Der sozialistische Spitzenkandidat für die katalanischen Regionalwahlen, Miquel Iceta, will sich im Falle eines Wahlsiegs für die Begnadigung der vor Gericht stehenden Separatisten einsetzen. El Mundo hält davon gar nichts:
„Das Versprechen ist unangebracht, scheinheilig und verantwortungslos. Unangebracht, weil das Verfahren gegen die Separatisten noch läuft und sich eine Begnadigung nur auf ein Urteil beziehen könnte. Scheinheilig, weil Iceta einer Partei vorsteht, die gegen die illegalen Handlungen dieser abgesetzten Regierung gewettert hat. ... Und verantwortungslos, weil der Chef der katalanischen Sozialisten damit Handlungen von Leuten entschuldigen will, denen schwere Straftaten wie Rebellion und Aufruhr vorgeworfen werden und die sich noch immer nicht eindeutig von der einseitigen Abspaltung distanziert haben.“
Puigdemont lässt sich gern als Opfer feiern
El Periódico de Catalunya befürchtet, dass Carles Puigdemont seine eigene Verhaftung für den Wahlkampf zu inszenieren wüsste:
„Eine überraschende Rückkehr Puigdemonts und die daraus resultierende Verhaftung könnten sich - geschickt geplant und entsprechend über die sozialen Netzwerke und Medien verbreitet - auf unvorhersehbare Weise auf die Wahlen auswirken. ... Die Bilder der inakzeptablen Polizeigewalt vom 1. Oktober gingen um die Welt und werden noch heute von den Separatisten genutzt, um eine Abstimmung zu legitimieren, der jegliche demokratische Grundlage fehlte. Auf dieselbe Weise könnte die nach der Flucht folgerichtige Verhaftung Puigdemonts dem Ex-Ministerpräsidenten einen Propagandaerfolg erster Güte verschaffen und es ihm ermöglichen, sich weiter als Opfer feiern zu lassen.“
Spanische Justiz zeigt Belgien wie es geht
Auf die Effizienz und Unabhängigkeit der spanischen Justiz kann man stolz sein, hebt die zentralistische ABC hervor und kritisiert, dass sich Belgien in der Sache so viel Zeit lässt:
„Die Eindeutigkeit und der Arbeitseifer [des spanischen Richters Pablo] Llarena stehen im Gegensatz zur Trägheit seines Amtskollegen in Belgien. Dieser hat die Entscheidung über die Ausführung des europäischen Haftbefehls gegen Carles Puigdemont und die weiteren Geflohenen auf den 14. des Monats verschoben. Damit ermöglicht er dem ehemaligen Ministerpräsidenten die Wahlkampagne aus dem 'Exil', die sich dieser erhofft hatte. Die spanische Justiz hat wenigstens reagiert und sich dabei nicht von politischen Zwängen, der öffentlichen Meinung oder dem Wahlkampf beeinflussen lassen.“
Hier wird Willkür zur Norm
Dass die spanische Justiz vorbildlich ist, findet die Chefredakteurin der katalanischen Tageszeitung Ara, Esther Vera, hingegen überhaupt nicht:
„Wenn Willkür zur Norm wird, erkennt man, dass ein politisches System noch weit von einer reifen Demokratie entfernt ist. ... Manch katalanische und spanische Politiker wollen als normal verkaufen, was eine absolute Ausnahmesituation ist: dass ein Wahlkampf beginnt, während die Spitzenkandidaten zweier Parteien aufgrund ihrer friedlich vorgetragenen Ideen ausgeschlossen sind. Einer sitzt in Untersuchungshaft, der andere steht in Belgien vor Gericht. Die Öffentlichkeit startet einerseits ermüdet in diesen Wahlkampf, aber andererseits ist sie auch entrüstet und will ernsthafte politische Lösungsvorschläge hören, um die aktuelle Blockade zu überwinden.“