Könnte Oprah Winfrey US-Präsidentin werden?
Nach einer kämpferischen Rede über Frauen- und Bürgerrechte bei der Golden-Globes-Verleihung wird US-Entertainerin Oprah Winfrey bereits als mögliche Nachfolgerin von Donald Trump gehandelt. Doch nicht alle Kommentatoren glauben, dass ihre Kandidatur eine gute Idee wäre.
Trump hat die Latte unendlich tief gelegt
Dass sich jetzt so viele für Oprah Winfrey als US-Präsidentin begeistern können, ist ein Armutszeugnis für die US-Politik, ätzt Kolumnist Dan Jones in The Evening Standard:
„Dank Donald Trump ist ja jetzt wirklich jeder und jede als US-Präsident vorstellbar. Wenn er es kann, dann wohl auch der Osterhase. Oprah Winfreys Zukunftsvision sieht so aus: Alle nehmen ab, sind lieb zueinander und erhalten kostenlos ein Auto. ... Die Begeisterungsstürme, die ihre Wahlrede im Stil Barack Obamas bei den Golden Globes ausgelöst hat, sagt mehr über den beklagenswerten Zustand der US-Politik aus als über die Eignung dieser bewundernswerten Frau für eine Regierungsposition.“
Demokraten fehlt geeignetes Personal
Die Diskussion beweist aus Sicht von Upsala Nya Tidning vor allem, dass es den Demokraten an ernstzunehmenden Kandidaten fehlt:
„Gut möglich, dass Oprah Winfrey eine exzellente Politikerin wäre. Aber das Risiko, die USA könnten sich noch stärker fragmentieren, liegt auf der Hand. ... Als Partei haben die Demokraten große Probleme. Der Riss, der durch den Kampf zwischen Hillary Clinton und dem Linkspopulisten Bernie Sanders entstand, bleibt. Es genügt nicht, einfach gegen Trump zu sein. Kein Retter ist in Sicht. Wenn kompetente Senatoren wie Kirsten Gillibrand und Chris Murphy zu 2020 befragt werden, blicken sie weg und murmeln etwas über die Wahl 2018. Es ist gut, dass Trumps Zeit auf ein Ende zugeht, gleichzeitig aber verkürzt sich auch das Zeitfenster, um vernünftige Alternativen zu finden.“
Weg für Polit-Amateure ist frei
Im Grunde hat Donald Trump den Weg für die aktuelle Diskussion geebnet, meint die Wochenzeitung hvg:
„Dass die Präsidentschaft einer TV-Persönlichkeit wie Oprah Winfrey in der US-Öffentlichkeit derart ernsthaft debattiert wird, ist nicht zuletzt auf Donald Trump zurückzuführen. Ähnlich wie Oprah wurde er durch seine TV-Auftritte landesweit berühmt. Noch dazu gelang es ihm, den öffentlichen Diskurs in den USA zu verändern. … Trumps Präsidentschaft belegt aus Sicht vieler Wähler, dass fachlicher und materieller Erfolg mit politischem Talent einhergehen. Und Sympathisanten von Oprah hoffen, ein politisch unerfahrener TV-Star könne den politischen Schaden eines anderen politisch unerfahrenen TV-Stars beheben.“
Oprah ist nur ein Hype
Eine gute Rede macht aus Oprah Winfrey noch keine aussichtsreiche Präsidentschaftskandidatin, meint USA-Experte Frans Verhagen in De Morgen:
„Eine schwarze Frau als Präsidentschaftskandidatin ist in diesem Amerika die Garantie für eine verlorene Wahl. Vergesst nicht, wer Trump zur Macht verhalf: Wütende weiße Wähler, evangelikale Radikale und Staatsgegner. Man muss schon politisch blind sein, um zu erwarten, dass viele von ihnen Oprah Winfrey gut finden würden. ... Außerdem hat gerade die Wahl von Donald Trump deutlich gemacht, wie unklug es ist, eine unerfahrene Medienpersönlichkeit zum Präsidenten zu wählen. Wenn Trump ein Erbe hinterlässt, dann, dass Wähler stärker darauf schauen werden, was ein Kandidat zu bieten hat. ... Genießt also den Medienhype, aber seid euch darüber im Klaren: Es ist nur ein Hype.“
Lebenszeichen der US-Demokratie
La Stampa lobt die Rede Oprah Winfreys, fragt aber, ob Amerika bereit ist für eine schwarze Frau als Präsidentin:
„Schwer zu sagen, die Vergangenheit ist eine unzuverlässige Hilfe, um die Zukunft der USA vorherzusehen, wie die Siege von Obama und Trump zeigen. Wirklich beeindruckend ist hingegen die großartige Lebendigkeit der US-Demokratie. Sie bietet einem Fernsehstar [Winfrey, in ihrer Rede] die Möglichkeit, Recy Taylor, die von Rassisten 1944 vergewaltigt wurde, zur Heldin zu machen. … Oprah hat die persönlichen Rechte wieder ins Zentrum gerückt, sie hat die Herzen vieler erwärmt und wir werden sehen, ob sie den Mann herausfordern kann, der seinerzeit von ihr als seiner Vizepräsidentin träumte [Trump 1999 in einem Fernsehinterview] und wie sie damit zurechtkommt, wenn es darum geht, die Freiheit vor Putin oder Xi Jinping zu verteidigen.“
Feminismus auf dem Vormarsch
Die Golden Globes und der Auftritt von Oprah Winfrey haben gezeigt, dass sich gesellschaftlicher Fortschritt nicht aufhalten lässt, kommentiert Der Standard:
„Mögen konservative Regierungen wie jetzt auch in Österreich das Bild von der 'normalen' Familie mit Vater-Mutter-Kind malen, wie es sie früher einmal gegeben hat. Mögen sie feministischen Initiativen den Geldhahn abdrehen, mögen sie bewusst darauf verzichten, Frauenprogramme zu fördern. ... Frauen behaupten ihren Platz in der Öffentlichkeit, sie gewinnen an Terrain - sogar in diesbezüglich so düsteren Ländern wie Saudi-Arabien. Hate-Speech in sozialen Netzwerken zum Trotz: Das Rad kann nicht zurückgedreht werden.“