Was will Trump in Davos?
Tagelang haben die Teilnehmer des Weltwirtschaftsforums in Davos die Vorzüge des freien Handels und der internationalen Zusammenarbeit beschworen. Die Abschlussrede hält am Freitagabend der US-Präsident, der unter der Devise "America first" eine protektionistische Politik propagiert und vor zwei Tagen Strafzölle für Solarpanels und Waschmaschinen ankündigte. Für die Leitartikler eine interessante Konstellation.
Allein auf weiter Flur
Trump steht mit seiner isolationistischen Haltung recht einsam da, glaubt Sydsvenskan:
„Es ist ein riskanter Weg, den Trump da eingeschlagen hat, denn nur wenige wollen ihm folgen. Stattdessen ist - nicht zuletzt von europäischer Seite - eine Bewegung in die entgegengesetzte Richtung zu erkennen. Merkel konstatiert, dass die EU ihr Schicksal in die eigene Hand nehmen und die Zusammenarbeit innerhalb der Union ausweiten muss - sowohl in der Wirtschafts- wie auch in der Außen- und Sicherheitspolitik. ... Auch Macron folgt dieser Linie. ... Donald Trump ist der erste regierende US-Präsident seit 18 Jahren, der nach Davos kommt. Das erhöht die Aufmerksamkeit. Aber die Botschaft - America first - erreicht die Teilnehmer nicht. Damit gibt das Weltwirtschaftsforum Hoffnung.“
Die Löwenhöhle der Globalisierung
Wenn der Berg nicht zum Propheten kommt, dann muss der Prophet eben zum Berg gehen - so beschreibt Nina L. Khrushcheva, Professorin für Internationale Beziehungen, in ihrem Gastkommentar bei Diário de Notícias Trumps Teilnahme am WEF:
„Für die globalen Entscheidungsträger aus Wirtschaft, Finanzen und Politik muss die Nachricht, dass Trump in Davos zu ihnen stoßen würde, ein Schock gewesen sein. Warum sollte der weltweit führende 'weiße Nationalist' in die Löwengrube der 'globalisierten' Elite treten? ... Einige, wie die britische Premierministerin Theresa May, mögen zwar einen starken Anreiz fühlen, Trump zu besänftigen. ... Doch nicht jeder in Davos wird zu diesem Verhalten bereit sein: Emmanuel Macron und Angela Merkel werden wahrscheinlich so wenig wie möglich neben Trump erscheinen wollen.“
Schwieriger Balanceakt
Trump muss bei seinem Auftritt in Davos die Interessensgegensätze seiner Wähler und der US-Wirtschaft unter einen Hut bringen, analysiert Irish Examiner:
„Der US-Präsident und seine Begleiter müssen seinem heimatlichen Publikum zuliebe einen schwierigen Balanceakt schaffen. Trump weiß genau, dass sich seine politische Basis nichts sehnlicher wünscht, als dass er die Firmenchefs, Prominenten und liberaleren Politiker, die sich in den Alpen versammelt haben, heftig kritisiert. Gleichzeitig fehlt es der US-Regierung nicht an Anliegen, die sie durchsetzen möchte. Der Gipfel in Davos bietet einmalige Gelegenheiten für Vereinbarungen in Hinterzimmern sowie kurze und heimliche Treffen.“
Geist des Protektionismus schwer zu bändigen
Dass Trump unbeabsichtigt einen Handelskrieg auslöst, ist die Befürchtung von Der Standard:
„Die Bürger in Michigan, Ohio und Pennsylvania hören seit Monaten, dass sie die Verlierer der Weltwirtschaftsordnung sind... Sie werden schärfere Worte und Taten verlangen. Südkorea hat Einspruch gegen die Waschmaschinenentscheidung vor der Welthandelsorganisation WTO angekündigt. Wird Trump es politisch akzeptieren können, wenn die WTO die Zölle für illegal erklärt, wofür die Chancen laut Experten gut stehen? Wenn nicht, werden andere Staaten Gegenmaßnahmen ergreifen, der Konflikt würde sich hochschaukeln. Wenn die Weltgeschichte etwas lehrt, dann das: Ist der nationalistische und protektionistische Geist in der Bevölkerung erst geweckt, ist er nur schwer in die Flasche zurückzubekommen.“