Kurssturz an den US-Börsen - und nun?
Nach dem Absturz der US-Finanzmärkte und dem bislang größten Punkteverlust des Dow Jones zum Wochenauftakt folgte am Dienstag ein Handelstag mit großen Schwankungen. Am Ende konnten aber Dow Jones und Nasdaq mit einem Plus abschließen. Zentralbanken und Privatanleger sollten sich von den Turbulenzen nicht ins Bockshorn jagen lassen, mahnen Journalisten.
Spielraum schaffen für die nächste Rezession
Die sinkenden Börsenkurse dürfen die Notenbanken auf keinen Fall davon abhalten, endlich die Zinsen zu erhöhen, mahnt die Neue Zürcher Zeitung:
„Verschuldete Staaten und Investoren drängen die Währungshüter dazu, die Normalisierung der Geldpolitik hintanzustellen und auf Zinserhöhungen zu verzichten. Allzu gross ist der Wunsch, das Schuldenproblem elegant aus dem Weg zu inflationieren. Geben die Zentralbanken diesem Druck nach, untergraben sie aber nicht nur ihre Glaubwürdigkeit. Sie sorgen auch dafür, dass sie keinerlei zinspolitischen Spielraum haben werden, wenn die nächste Rezession ansteht. Die Notenbanken dürfen sich daher durch die jüngsten Unruhen nicht von ihrer Normalisierungspolitik abbringen lassen. Zinsrisiken müssen wieder von den Schuldnern getragen werden, Börsenturbulenzen hin oder her.“
Ruhe bewahren und die Aktien halten
Direkt an seine Leser richtet sich das Blatt Upsala Nya Tidning mit einem Rat zu den Börsenturbulenzen:
„Ruhe bewahren: Ein Kurssturz entwickelt sich, wenn Aktien verkauft werden und die Kleinanleger in Panik mitmachen und so die Geschwindigkeit des Absturzes zunimmt. Das ist dann eine Kauflage für die Großen im Geschäft. So hat das immer funktioniert und der einzige Rat, den man uns übrigen geben kann, ist, still im Boot sitzen zu bleiben. Solange man nicht verkauft, hat man nichts verloren. Die Börse steht für langfristige Investitionen. Einen wirklichen Börsencrash hat es nur 1929 gegeben. Wenn man unruhig ist - ein legitimes Gefühl in diesen Tagen - kann man sein Geld in anderen Papieren anlegen. Aber definitiv sollte man nichts direkt nach einem massiven Kursrückgang tun.“
Ende der Durststrecke ist in Sicht
Für Verluste des Dow Jones hat paradoxerweise eine Nachricht gesorgt, die ein Grund zur Freude sein sollte, erklärt Der Standard:
„In den USA steigen die Löhne wieder so kräftig an wie seit acht Jahren nicht mehr. Höhere Einkommen bedeuten in der Regel höhere Inflation und damit höhere Zinsen, weshalb Investoren nervös geworden sind. In Wahrheit sind steigende Einkommen das letzte Puzzleteil, das für einen robusten Aufschwung fehlte. Jahrelang haben Löhne in den USA und in der Eurozone stagniert. Das hat nicht nur zu sozialen Verwerfungen und wachsender Ungleichheit geführt. Es belastete auch die Kaufkraft der Konsumenten. Ein Ende der Durststrecke wäre also sozialpolitisch wie wirtschaftlich betrachtet eine gute Nachricht.“
Börsen hängen an der Nadel
Die Geldschwemme hat die Börsen abhängig gemacht, schimpft Il Sole 24 Ore:
„Die Panik, die sich am Donnerstag und Freitag wegen des Lohnanstiegs in den USA und den Lohnforderungen in Deutschland auf den Finanzmärkten verbreitete, macht wieder einmal unmissverständlich klar, wie weit die Börsen von der Realwirtschaft entfernt sind. Der Lohnanstieg ist das wichtige Glied, das in diesem globalen Wirtschaftsaufschwung fehlt, der bisher mehr Ungleichheit als Wohlstand erzeugt hat. Dass er sich abzeichnet, müsste also eine gute Nachricht für alle sein. ... Auch für das Finanzwesen. Doch die Märkte, längst abhängig von der Nadel, mit der die Zentralbanken seit 2008 über 15.000 Milliarden Dollar Liquidität in die Märkte gespritzt haben, sehen nur die Schattenseiten: das Risiko, dass die Inflation steigt und dass die Zentralbanken die Geldspritze eher als vorgesehen absetzen.“
Finanzmärkte völlig aus dem Lot gebracht
Von normalen Verhältnissen am Finanzmarkt kann noch lange nicht die Rede sein, meint La Tribune de Genève:
„Erleben wir derzeit eine Rückkehr zur Normalität? In eine Welt der Normalität, könnte man auch sagen. Die Wahrheit ist jedoch vielmehr, dass die Welt kopfsteht. Beobachten wir etwa nicht, dass der Dollar nachgibt, obwohl die Zinsen steigen, genauso wie er zuvor zugelegt hat, obwohl die Zinsen sanken? Diese völlige Umkehrung der normalen Verhältnisse belegt abermals - sollte dies noch nötig sein -, wie sehr die außergewöhnlich expansive Politik der Zentralbanken (Negativzinsen und Quantitative Easing) das Gleichgewicht durcheinandergebracht und die Märkte verwirrt hat.“