Putin im Amt: Drinnen die Gäste, draußen Proteste
Vor 5.000 Gästen hat Russlands Präsident Wladimir Putin im Kreml den Eid für seine vierte Amtszeit abgelegt. In seiner Rede sprach er von einem Aufbruch und einer freien Gesellschaft - nachdem am Wochenende bei Protesten rund 1.600 Menschen festgenommen wurden. Was kann die Welt von Putins nächster Amtszeit erwarten?
Russen lieben starken Führer
Die Demonstrationen zu Putins Amtseinführung können nicht darüber hinwegtäuschen, dass dieser bei der breiten Masse gut ankommt, analysiert The Daily Telegraph:
„Die Russen lieben einen politischen Führer, der den starken Mann markiert. Und Putin hat sich ohne Zweifel redlich bemüht, diesem Anspruch gerecht zu werden. ... Die Demonstrationen sind wohl eher ein von Zorn motivierter Aufschrei seiner Gegner als das Zeichen, dass die breite Masse plötzlich extrem unzufrieden mit Putins Führung ist. Die Präsidentenwahl mag manipuliert worden sein, doch Putin ist beim Volk nach wie vor besonders deshalb populär, weil er als jemand gesehen wird, der den nationalen Stolz wiederherstellen und Russlands Feinden entgegentreten kann.“
Medwedews Loyalität wird belohnt
Wladimir Putin hat erneut Dmitri Medwedew als Premier vorgeschlagen. Für Alexej Wenediktow, Chefredakteur von Echo Moskwy, sehr nachvollziehbar:
„Für mich war Medwedew immer der Stellvertreter Nr. 1. Ich empfand ihn nie als Regierungschef, sondern ging davon aus, dass er im Falle eines Falles Putin ersetzen soll. Das ist für Putin wichtiger. Es gibt viele Leute, die die Regierung leiten könnten, technologisch wie politisch gesehen. Doch entscheidend für Putin ist, dass er einem Menschen vertrauen kann, in dessen Hände sein 'Atomkoffer' geraten könnte. Er liebt Loyalisten und Medwedew hat 2011 [als er selbst Präsident war und Putin als Nachfolger vorgeschlagen hat] gezeigt, dass er beim ersten Wink sofort bereit ist, diesen 'Atomkoffer' wieder zurückzugeben - obwohl er sich hätte dagegen sträuben können.“
Nun hat Putin auf der Weltbühne das Sagen
Mit den geopolitischen Rahmenbedingungen von Putins vierter Amtszeit beschäftigt sich Večer:
„Russland habe in seiner 1000-jährigen Geschichte schon öfter schwere Zeiten überstanden und sei wie Phönix aus der Asche auferstanden, sagte Putin. Er hat Recht - doch es warten neue Herausforderungen auf ihn. Sein US-amerikanischer Kollege Donald Trump reißt die bisherige Weltordnung nieder. Putin und sein chinesischer Amtskollege Xi Jinping sehen darin ihre Chance. Und da wäre noch Nordkorea, wo die Weltmächte diplomatisch um ihren Einfluss ringen werden. Die schwachen USA unter Präsident Trump und seinem neuen Außenminister Mike Pompeo bieten Putin und seinem außenpolitisch äußerst erfahrenen und abgebrühten Sergej Lawrow alle Chancen, weltweit die Initiative zu übernehmen.“
Kampagnen statt Reformen
Auf Russlands Wirtschaftslage blickt Iltalehti:
„Russlands Wirtschaft würde mehr Freiheiten und neue große Unternehmen zum Beispiel auf dem Gebiet der Informationstechnologie benötigen. Russland ist in vielen Bereichen technologisch weiterhin vom Westen abhängig und hinkt ihm gewaltig hinterher. Die Wirtschaft sieht sich zudem mit denselben Problemen konfrontiert, die auch auf der Agenda vieler westlicher Staaten stehen: dem Rückgang der arbeitenden Bevölkerung im Verhältnis zu den Rentnern sowie der Frage eines ausgeglichenen Staatshaushalts. Nötig wäre also eine umfassende Wirtschaftsreform. … Doch weil diese zu einem Machtverlust führen könnte, nimmt Putin diese vermutlich nicht in Angriff. Wahrscheinlicher ist, dass es groß angelegte, öffentlichkeitswirksame Kampagnen geben wird.“
Diesem Präsidenten liegt sein Volk am Herzen
Putin hat angekündigt, in seiner neuen Amtszeit umgerechnet mehr als 132 Milliarden Euro in Gesundheit, Infrastruktur und Bildung investieren zu wollen. Die prorussische Tageszeitung Duma ist begeistert:
„Wer will angesichts dessen Putin noch des Militarismus, der Aggressivität oder des Vormachtstrebens beschuldigen? Sicher, solche Leute wird es weiterhin geben, doch statt Verstand wuchern in ihren Gehirnen vergammelte politische Dogmen und ein verengtes Weltbild. Man könnte vermuten, dass Putin Gesundheit und Bildung vorantreiben will, weil es um sie besonders schlecht steht. Fakten wie die Erhöhung der Geburtenrate belegen aber das Gegenteil. Und selbst wenn es Probleme geben sollte, zeugt die Tatsache, dass sie nun priorisiert werden, von der bürgernahen und nicht etwa von der militärischen oder aggressiven Mentalität Putins.“