Wie stark ist Spaniens neue Regierung?
Spaniens neuer Premier Pedro Sánchez hat sein Kabinett vorgestellt. Es gilt als klar proeuropäisch und besteht erstmals in der Geschichte des Landes aus mehr Frauen als Männern. Einige Kommentatoren finden, dass das Regierungsteam großes Potenzial hat. Andere glauben, dass es sich nicht lange an der Macht halten kann.
Ein verlässlicher Partner für Brüssel
Das von Premier Pedro Sánchez zusammengestellte Regierungsteam überzeugt mit einer klar EU-freundlichen Positionierung, lobt The Irish Times:
„Die Ernennung von Josep Borrell zum Außenminister war besonders klug. ... Borrell ist ein sehr erfahrener Fürsprecher der Europäischen Union. Als EU-Parlamentspräsident [2004 bis 2007] war er hoch geschätzt. Zudem war er Teil jenes Gremiums, das die EU-Verfassung entwarf. Nichts könnte Spaniens EU-Partner deutlicher signalisieren, dass sie Regierungschef Sánchez vertrauen können, die gemeinsamen Interessen der Union zu verteidigen. Es bleibt zu hoffen, dass die spanische Rechte nun echten Patriotismus und Europäismus beweist, indem sie eine verantwortungsvolle und nicht eine destruktive Rolle in der Opposition spielt.“
Das Beste, was Spanien zu bieten hat
Dieses starke Team tritt nicht an, um gleich wieder zu gehen, erkennt El Periódico de Catalunya lobend an:
„Mit der Auswahl des Kabinetts hat Sánchez den von ihm angestrebten Politikwandel im Inhalt und in der Form klar verdeutlicht. Es ist eine Regierung, die nicht ausgesucht wurde, um die üblichen internen Parteiströmungen zufriedenzustellen, und die nichts von einer Übergangsregierung hat. Sánchez sprach davon, schnell Neuwahlen einzuberufen. Aber das Profil der ausgewählten Minister macht klar, dass diese Regierung angelegt ist, um zu bleiben. ... Sánchez will, dass seine Regierung das Beste widerspiegelt, was die spanische Gesellschaft zu bieten hat. Paritätisch, erfahren und gut ausgebildet, mit dieser Regierung beginnt Sánchez auf dem richtigen Fuß.“
Linker Frühling auf Spanisch
Sánchez' neues Kabinett ist ein deutliches Signal an die linke Wählerschaft und an Europa, analysiert die Spanien-Korrespondentin von De Volkskrant, Maartje Bakker:
„Spaniens Premier will mit aller Macht verhindern, dass die Proteste für mehr Frauenrechte von Podemos vereinnahmt werden. Das Ziel des PSOE-Führers ist es gerade, die Stimmen der unter 45-Jährigen von der linken Protestpartei zurück zu gewinnen. ... Sanchez ernannte auch Nadia Calviño, eine europäische Spitzenbeamtin, zur Wirtschaftsministerin. Diese Ernennung muss eine beruhigende Wirkung haben auf andere europäische Länder: So unvorhersehbar die italienische Regierung ist, so gediegen ist die spanische.“
Auf eine weitere Krise kann Europa verzichten
Das neue Kabinett von Premier Sánchez steht vor gigantischen Herausforderungen, beobachtet La Libre Belgique:
„Es ist durchaus wahrscheinlich, dass es Neuwahlen geben wird. Die Gefahr dabei ist, dass das spanische Parlament in noch mehr Kleinteile zerfällt. Die beiden Volksparteien, PP und PSOE könnten noch mehr Stimmen verlieren, und die politische Landschaft könnte noch stärker außer Kontrolle geraten. ... Sánchez hat bewiesen, dass er genügend politischen Instinkt hat, um seinen Gegner aus dem Weg zu räumen. Nun muss er zeigen, dass er auch schnell etwas aufbauen kann, denn sonst riskiert er sein politisches Überleben. Das würde eine neue Krise verursachen, auf die Europa gut verzichten kann.“