Flucht und Vertreibung: Prag missfällt Merkel-Rede
Eine Rede Merkels am Gedenktag für die Opfer von Flucht und Vertreibung - und gleichzeitig dem Weltflüchtlingstag - hat in Tschechien scharfe Reaktionen ausgelöst. Merkel hatte gesagt, dass es für Vertreibung "weder eine moralische noch eine politische Rechtfertigung" gebe. Einige Kommentatoren schließen sich der Empörung seitens der Politik an. Für andere wird die Sache unnötig aufgebauscht.
Kanzlerin sollte den Mund nicht so weit aufreißen
Für Mladá fronta dnes hat Merkel in ein Wespennest gestochen:
„Gegen die Beneš-Dekrete [über die Enteignung und Vertreibung der Deutschen aus der Tschechoslowakei] zu wettern ist so, als würden die Tschechen bei jedem Kontakt mit Deutschen auf das Blut an deren Händen zeigen. Das weckt überflüssige Emotionen. ... Merkel galt vor ein paar Jahren in Tschechien als politischer Star. Bis zu 71 Prozent vertrauten ihr. Die Migrationswelle und das Drängen auf Verteilungsquoten für die Migranten hat das zunichte gemacht. Heute vertrauen Merkel nur noch 18 Prozent der Tschechen, 70 Prozent glauben ihr nicht mehr. Nicht nur in dieser Hinsicht hat Merkel eine Gelegenheit verpasst, einfach mal zu schweigen.“
Hysterie regiert in Prag
Fassungslos über die scharfen Reaktionen an der Moldau zeigt sich der öffentlich-rechtliche Hörfunk Český rozhlas:
„In der Rede der Kanzlerin ist kein einziges Wort über Tschechien gefallen. Kein einziges Wort! Merkel sprach über die aktuelle Migrationskrise und erinnerte nur in diesem Zusammenhang an historische Erfahrungen. In Tschechien aber wird daraus sofort politischer Sprengstoff, ohne dass jemand die Rede auch nur gelesen hätte. ... Dies deutet auf eine absolute Unkenntnis der tschechisch-deutschen Beziehungen hin. Wir erweisen uns als eine frustrierte tschechische Gesellschaft voller Vorurteile. Wir kennen weder unsere eigene Geschichte, noch unsere eigenen Verpflichtungen und Bekenntnisse.“