Russland muss Pussy Riot entschädigen
Die Haftstrafen für Mitglieder der Aktivistengruppe Pussy Riot nach ihrem Putin-kritischen "Punk-Gebet" 2012 in der Moskauer Christ-Erlöser-Kathedrale sind mit den Menschenrechten nicht zu vereinbaren. Russland muss den Frauen nun Entschädigungen zahlen, entschied der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg. Kommentatoren bewerten das Urteil.
Es gilt das Recht auf ein faires Verfahren
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung begrüßt das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte:
„Er hebt mit Recht hervor, dass 'Pussy Riot' nicht zu Gewalt oder Hass aufrief. Und: Russland hat die Aktivistinnen im Verfahren gedemütigt. Tatsächlich zeigt sich gerade im Recht auf ein faires Verfahren, also in der Frage, wie er mit seinen Gegnern umgeht, das Wesen eines Staates. Die Inhaftierung ohne ausreichende Begründung, das Verhindern des Kontakts mit Verteidigern deuten auf ein politisiertes Verfahren. Dazu passt die Verurteilung Russlands auch im Fall der ermordeten Journalistin Anna Politkowskaja. Es herrschen grundsätzliche rechtsstaatliche Defizite.“
Dem Kreml kam Pussy Riot gerade recht
Eine angemessene Entschädigung wäre gerecht, ist aber aussichtslos, glaubt Anton Orech in Echo Moskwy:
„Dieses Verfahren hat in Russland die Schleusen der mentalen Finsternis geöffnet und eine Kategorie von Bürgern mit besonderen Gefühlen hervorgebracht: die Gläubigen. Jetzt kann man jeden Moment eine verwirrte Person hervorzerren, die aufgrund ihrer gekränkten kleinen Seele unter Tränen sagt, man müsse Sie mit aller Härte bestrafen - und das passiert dann auch. Wenn es den Fall Pussy Riot nicht gegeben hätte, unsere Staatsmacht hätte ihn erfinden müssen. Er hat dem Staat so viele Dividenden gebracht, dass er sich jetzt nicht so anstellen müsste und den Mädchen 37.000 Piaster [eine alte spanische Währung] einfach zahlen könnte. ... Doch soweit ich weiß, hat ja unser Verfassungsgericht beschlossen, dass man auf Entscheidungen des EGMR pfeifen kann.“