Spott über Burkaträgerinnen: Johnson in der Kritik
Nach seinen umstrittenen Äußerungen über vollverschleierte Frauen (sie ähnelten "Briefkästen" und "Bankräubern") gerät der britische Ex-Außenminister Boris Johnson innerparteilich immer mehr unter Druck. Mehrere Tory-Spitzenpolitiker, darunter Regierungschefin Theresa May, fordern eine Entschuldigung. Johnson lehnt dies ab. Zu Recht?
Frauen kriminalisiert und entmenschlicht
Boris Johnson muss sich ohne Wenn und Aber entschuldigen, fordert Kolumnist Matthew d'Ancona in The Evening Standard:
„Mit zwei billigen Gags hat es Johnson geschafft, jene, die er nach eigenen Angaben verteidigen wollte [ein Burka-Verbot wie in Dänemark lehnte er in seinem Text ab], sowohl zu kriminalisieren als auch zu entmenschlichen. ... Er erniedrigte muslimische Frauen auf ziemlich eindeutige Weise, indem er Umgangssprache verwendete, die an beiläufigen Spott auf der Straße oder im Pub erinnert. Dieses rhetorische Mittel ist ebenso raffiniert wie verwerflich. ... Daher ist es dringend notwendig, dass er sich ohne Einschränkung für die Schande entschuldigt, die er über seine Partei gebracht hat. Es ist äußerst wichtig, dass das nicht als einfacher 'Ausrutscher' abgetan wird.“
Kolumne war ein Plädoyer für die Freiheit
The Daily Telegraph, wo Johnson seine Kolumne zum dänischen Verschleierungsverbot veröffentlicht hatte, verteidigt den Ex-Außenminister:
„Die meisten vernünftig denkenden Menschen werden in dem Artikel, den der Ex-Minister mit dem üblichen Schwung verfasste, eine Verteidigung der Rechte muslimischer Frauen sehen, sich so zu kleiden, wie sie wollen. Johnson - und auch viele andere - sind jedoch besorgt, dass diese Frauen sich oft nicht so kleiden, wie es ihnen gefällt, sondern wie es von ihrer Umgebung verlangt wird. Man möchte meinen, dass jene, denen Frauenrechte wichtig sind, einige dieser Bedenken teilen würden. Andernfalls würde man zumindest erwarten, dass liberal gesinnte Menschen Johnson für seine Verteidigung der Religionsfreiheit loben, auch wenn sie anscheinend keinen großen Wirbel machten, als andere EU-Länder die Burka verboten.“
Gläubige müssen Spott ertragen können
Die Tageszeitung Die Welt springt Johnson zur Seite:
„Selbstverständlich darf ein freier Bürger über katholische Priester witzeln, die mit Frauenkleidern herumlaufen. Das von christlichen Geistlichen getragene Kollar heißt in Großbritannien seit jeher 'dog collar' - Hundehalsband. Kippa und Schläfenlocken muss man auch nicht mögen. Christen, Juden und Muslime - und alle anderen Gruppen - müssen solchen Spott ertragen, solange er einhergeht mit der Klarstellung, dass sie das selbstverständliche Recht besitzen, sich nach eigener Fasson lächerlich zu machen. Nicht Boris Johnson gießt Öl ins Feuer, sondern jene, die ihm Islamophobie unterstellen, obwohl er eine Lanze für die Freiheit gebrochen hat, die in so vielen EU-Ländern auf der Strecke geblieben ist.“
Schamlose Profilierung auf Kosten von Muslimen
Der frühere Außenminister versucht, mit islamfeindlichen Äußerungen bei der politischen Basis der britischen Konservativen zu punkten, erklärt The Guardian:
„Boris Johnson hatte keinerlei Interesse an einer Diskussion über die Burka. Es geht ihm nur um sich selbst. Falls er sich Gedanken über mögliche Folgen seiner Äußerungen machte, was zu bezweifeln ist, wird es ihm vor allem darum gegangen sein, aufzufallen. Johnson sehnt sich nach Aufmerksamkeit. Er versucht, zur und für die Tory-Basis zu sprechen, weil er sie braucht, um an die politische Spitze zu kommen. Sayeeda Hussain Warsi, Oberhausabgeordnete der Tories mit pakistanischer Herkunft, hatte absolut Recht, als sie Johnson 'verdeckte Islamfeindlichkeit' vorwarf.“