Welche Rolle haben Paris und Rom im Libyen-Krieg?
Rivalisierende Milizen liefern sich seit mehr als einer Woche schwere Gefechte um Tripolis. Die international anerkannte Einheitsregierung unter Premier Fayez al-Serraj verhängte den Ausnahmezustand, war aber nicht in der Lage, Ruhe in der libyschen Hauptstadt herzustellen. Kommentatoren werfen Frankreich und Italien vor, an der Eskalation nicht unschuldig zu sein.
Macron steht auf der falschen Seite
Italienische Regierungspolitiker werfen Paris vor, General Haftar an die Macht bringen zu wollen, um französischen Konzernen Zugang zu Libyens Ölreserven zu verschaffen. Corriere della Sera sieht die Lage genauso:
„Es sei ohne den geringsten Chauvinismus gesagt: Emmanuel Macron hat beschlossen, die vor sieben Jahren von Nicolas Sarkozy mit der ersten Intervention begonnene Operation zu vollenden, indem er General Haftar und dessen Machtziele unterstützt. Auf unsere Kosten. Und auf Kosten der formalen Legalität, die auf der Seite von Premier Al Sarraj steht, der, sowohl von uns wie auch der internationalen Gemeinschaft unterstützt, bis heute unser einziger diplomatischer Erfolg in der Region ist.“
Italien muss Vernunft walten lassen
Rom muss den Kampf ums Erdöl gegen Frankreich dringend beilegen, mahnt Corriere del Ticino:
„Jeder falsche Schritt Roms, von der Unbesonnenheit des Augenblicks diktiert, würde sofort vom französischen Präsidenten ausgenutzt werden. Wenn Rom seine Position auf dem libyschen Schachbrett nicht weiter schwächen will (unter dem Vorwand, etwas gegen die Unsicherheiten auf den Flüchtlingsrouten zu tun), bleibt nur noch der Weg der Rationalität und der Diplomatie. Nur so kann die wesentliche Voraussetzung für eine Versöhnung, auch zwischen den Milizen, geschaffen werden.“
Europa ignoriert den Krieg
Während in Tripolis die schlimmsten Gefechte seit Jahren toben, hält Europa in der Flüchtlingspolitik an der Illusion fest, Libyen sei ein sicheres Land, kritisiert Der Standard:
„Für Ausländer, die von Libyens Regierung auf EU-Wunsch in Lagern bei Tripolis interniert sind, bricht nun die allerletzte Versorgung zusammen. Wir entsetzen uns zu Recht über die Verbrechen an den Rohingyas im fernen Myanmar. Die Strukturen der Gewalt sind dort andere; der Staat ist der Täter, in Libyen sind es nichtstaatliche kriminelle Akteure. Aber eines kann man doch sagen: Wenn es Migranten, mehr noch Migrantinnen, in Libyen auf ein Schiff schaffen, haben sie oft Ähnliches hinter sich wie die dem Genozid in Burma Entflohenen.“