Europawahl: Woher rührt der Verdruss?

Zur Europawahl sind 400 Millionen Menschen aufgerufen. Doch die Wahlbeteiligung dürfte nicht besonders hoch ausfallen. Zuletzt lag sie im EU-Durchschnitt bei 42,61 Prozent - und war überhaupt nie wieder so hoch wie 1979, als die Bürger Europas erstmals ihr Parlament wählen durften. Kommentatoren forschen nach Ursachen und brechen eine Lanze für diejenigen, die sich Ende Mai zur Wahl stellen.

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Jutarnji list (HR) /

Warum in Osteuropa so wenige wählen gehen

Der Trend zur geringen Wahlbeteiligung in Osteuropa wird sich auch bei der Europawahl fortsetzen, mutmaßt Jutarnji list:

„Warum sind die Bürger nicht motiviert, wählen zu gehen? ... Kann man sagen, dass sie faul sind? Nein, eher dass sie darin keinen Sinn sehen. Aus der Perspektive des einfachen Wählers, des sogenannten kleinen Mannes, sagt die Erfahrung von fast drei Jahrzehnten des Lebens in solch einer Demokratie folgendes: Egal, ob du wählst oder nicht, es ändert sich nichts für dich. Eine Partei ist wie die andere, denn alle sind sie gegen den kleinen Mann. Sie machen nur Versprechungen und wenn sie an die Macht kommen, benehmen sie sich völlig anders. Alle lügen, und bei Gott, sie stehlen auch.“

Berlingske (DK) /

Kandidaten haben Dank verdient - nicht Verachtung

Angesichts wachsender Verachtung für Politiker ist es gerade in Wahlzeiten angezeigt, ihnen auch einmal Dank auszusprechen, findet Berlingske:

„Die Kandidaten leisten im Namen der Demokratie eine fantastische freiwillige Arbeit. ... Einiges weist darauf hin, dass wir zu große Erwartungen dahingehend haben, was Politiker ausrichten können, und natürlich hat beispielsweise Machtmissbrauch das Vertrauen in die politische Klasse beschädigt. Doch wir alle haben Verantwortung dafür, dass die demokratische Debatte respektvoll geführt wird. Wenn sich Kandidaten mit dummen Aussagen blamieren, muss die Presse das kritisch begleiten. Aber wir sollten nicht vergessen: Fehler sind menschlich und die Demokratie ist darauf angewiesen, dass Menschen bereit sind, sich Kritik und dem Test im Wahlkampf zu stellen.“

Aftonbladet (SE) /

Klimapolitik muss auch die Schwachen mitnehmen

Klimaschutz darf nicht etwas sein, was soziale Ungleichheiten noch verschärft, warnt Aftonbladet vor der Europawahl:

„Dies beinhaltet auch, dass Ressourcen aus reichen Ballungsgebieten auf einkommensschwache und ländliche Gebiete verteilt werden müssen - sowohl in Schweden als auch in der EU. Wer Emissionen reduzieren will, kann nicht zuschauen, wie dabei die Kluft wächst und die öffentlichen Investitionsmittel erodieren. ... Wenn in der EU der freie Waren- und Personenverkehr so hoch geschätzt wird, ist es sinnvoll, in ein gemeinsames Eisenbahnnetz zu investieren, damit die Freizügigkeit auch nachhaltig werden kann. Um diese Reformen muss es bei der Europawahl gehen. Wir brauchen grüne Investitionen für das Gemeinwohl, nicht mehr gelbe Westen.“

Die Presse (AT) /

Österreicher haben fatale Bildungslücke

Zur Europawahl rächt sich die mangelnde politischen Bildung in Österreichs Schulen, beklagt Die Presse:

„[Z]war wissen neun Prozent [der Österreicher] den richtigen Wahltag - aber nur 18 Prozent sagen, dass sie ziemlich sicher wählen werden, was der fünftschlechteste Wert aller Mitgliedstaaten ist. 39 Prozent hingegen antworteten, sie würden eher nicht wählen gehen. ... Diese Entfremdung der Bürger von einem ihrer wichtigsten Rechte - nämlich ihre politischen Vertreter in Brüssel und Straßburg selbst mitzubestimmen - erinnert schmerzhaft an die fehlende politische Bildung an Österreichs Schulen. Keine noch so fachmännisch gestaltete Informationskampagne kann bei einer Bevölkerung fruchten, die zu einem Gutteil nie gelernt hat, worum es bei der EU und folglich bei der Europawahl geht.“

The Guardian (GB) /

Niemand repräsentiert EU-Migranten

Rund 17 Millionen EU-Bürger leben als Migranten in anderen Mitgliedstaaten. Warum ihre Beteiligung an EU-Wahlen traditionell sehr gering ist, erklärt der in Spanien lebende gebürtige Italiener Alberto Alemanno in The Guardian:

„Es wird viel über eine paneuropäische Debatte geredet, und doch handelt sich bei EU-Wahlen am Ende meist um eine Reihe nationaler Wahlkämpfe, bei denen nationale Parteien gegeneinander antreten und über landesspezifische Themen streiten. ... Das könnte sich ändern, wenn paneuropäische politische Bewegungen entstehen. Derartige Bewegungen mit einem politischen Angebot für die gesamte EU könnten uns EU-Migranten eine Stimme verleihen und uns repräsentieren. Doch bis dahin bleiben wir an den Rand gedrängt. Welch Paradox: Jene, die Europa mit ihren Leben und ihren Familien von unten aufbauen, können dessen politische Zukunft nicht mitbestimmen.“

Público (PT) /

Internationale Solidarität ist gefragt

Die EU muss über den Tellerrand hinausblicken, fordert die portugiesische Plattform für nichtstaatliche Organisationen ONGD in einem Gastkommentar in Público.

„Die Europawahl ist eine Gelegenheit, die Debatte wieder auf die Ziele der Entwicklungszusammenarbeit zu fokussieren und neu auszurichten. ... Als weltweit größter Geber von Entwicklungshilfe hat die EU die Verantwortung, die Entwicklungszusammenarbeit in den Dienst der am stärksten gefährdeten Bevölkerungsgruppen zu stellen, im Einklang mit den Grundsätzen der internationalen Solidarität und der nachhaltigen Entwicklung. Deswegen fordern wir alle Kandidaten auf, ihr Engagement für die globale Entwicklung zu verstärken und der internationalen Zusammenarbeit für ein gerechtes, solidarisches und nachhaltiges Europa Vorrang einzuräumen.“

Dagens Nyheter (SE) /

Freihandel nicht ignorieren

Es gibt ein Thema, das im Wahlkampf bisher zu wenig behandelt wird, findet Dagens Nyheter:

„Die Unzufriedenen links und rechts meinen, dass der Freihandel zu stark dominiert. Das stimmt nicht. Im Gegenteil, der freie Handel ist immer mehr unter Druck. Nach Angaben des Global Trade Alert Think Tanks hat die Welt seit 2008 mehr als doppelt so viele staatliche Eingriffe vorgenommen, die dem Handel schaden, als dass es Handelsliberalisierungen gegeben hat. ... Wenn die Entwicklung umgekehrt werden soll, ist die Mobilisierung der liberalen Kräfte Europas nicht nur gegen fremdenfeindliche Populisten erforderlich, sondern auch gegen eine Politik der Handelshemmnisse. ... Freihandel und dynamische Märkte sind für die Zukunft Europas von entscheidender Bedeutung.“

La Repubblica (IT) /

Italienische Wähler werden für dumm verkauft

Italiens Regierungsparteien Lega und Cinque Stelle führen die Wähler mit falschen Versprechungen hinters Licht, klagt Massimo Riva in seiner Kolumne in La Repubblica:

„Eine giftige Mischung aus Irreführungen reduziert den Wahlkampf für das neue EU-Parlament auf einen kollektiven Betrug. Es geschieht auch anderswo, aber nirgendwo erreicht es das toxische Niveau Italiens. ... Das alarmierendste Beispiel betrifft die obsessiv wiederholte Behauptung, an den Wahlurnen gehe es um die Möglichkeit, das Land von den Beschränkungen der Haushaltsdisziplin zu befreien, der alle Verantwortung für die finanziellen Schwierigkeiten des Landes zugeschoben wird. ... Zu sagen, dass die Entlassung der 'Technokraten' von Brüssel die Tür zum Schlaraffenland öffnen würde, bedeutet, die Italiener für dumm zu verkaufen und blind in das nächste Desaster laufen zu lassen.“

Observator Cultural (RO) /

Nur Populisten haben europäische Themen

Dass der Wahlkampf kaum europäische Themen beinhaltet, hat sich das EU-Parlament zum großen Teil selbst zuzuschreiben, urteilt der Politologe Cristian Pîrvulescu in Observator Cultural:

„Nachdem das Europaparlament im Februar 2018 den Versuch von Emmanuel Macron blockiert hat, länderübergreifende Kandidatenlisten einzuführen, ist auch die Europäisierung der Europawahl quasi unmöglich geworden. Das Votum vom Februar 2018 war ein Zeichen dafür, dass die Nationalparteien der EU-Mitglieder keine europäische Debatte wollten. ... Unter diesen Voraussetzungen ist die Europäisierung der Debatte paradoxerweise von den anti-europäischen Populisten gekommen, die länderübergreifende Themen setzten, um eine Gefahr durch Einwanderung und islamische Kolonialisierung glaubhaft zu vermitteln.“

Gazeta Wyborcza (PL) /

PiS ist Wolf im Schafspelz

Die Europaliebe der polnischen Regierungspartei PiS ist nur gespielt, meint der Politologe und ehemalige Diplomat Roman Kuźniar in Gazeta Wyborcza:

„Wir sehen heute, dass sich die Führer dieser Partei unter dem Motto 'Polen ist das Herz Europas' zusammenfinden und sich mit EU-Flaggen umgeben. Dies ist jedoch nur eine Täuschung vor der Wahl. Nach der Wahl wird sich das ändern. Die PiS wird ihre Systemrevolution abschließen wollen, mit der sie eine immerwährende Macht erlangen wird. Das heißt, sie muss in den Krieg mit der EU zurückkehren. ... Wegen der diesjährigen Wahl musste das Regierungslager einen Gang zurückschalten, einen Schafspelz überziehen und Europa-Bindung simulieren. Die Leute im Regierungslager haben zu viel ausgefressen und haben deshalb viel zu verlieren, also müssen sie ihre Taktik ändern. ... Ein Machtwechsel ist für sie ausgeschlossen.“

news.bg (BG) /

Bulgaren brauchen mehr Selbstbewusstsein

Zwölf Jahre nach dem EU-Beitritt hat die Mehrheit der Bulgaren noch immer ein verzerrtes Bild der EU, klagt news.bg:

„Jetzt ist wahrscheinlich der richtige Moment, um eine einfache, aber wichtige Tatsache klarzustellen: Die EU ist weder das 'Väterchen' noch die 'Mutter' Bulgariens. Und der Sinn unserer Mitgliedschaft ist weder, die europäischen Regeln zu erlernen (die EU als Vater, der uns lehrt), noch, die EU-Fonds abzurufen (die EU als Mutter, die für uns sorgt). Beides spielt zwar eine Rolle, doch wesentlich wichtiger ist es zu verstehen, dass die EU vor allem ein Instrument zur Durchsetzung der bulgarischen nationalen Interessen ist - sowohl innerhalb der Union als auch international.“

Der Nordschleswiger (DK) /

Wer in der EU das Sagen hat

Nationale Regierungen sind nach wie vor mächtig, erklärt Der Nordschleswiger:

„Die EU, das sind wir alle, die in ihren Mitgliedsstaaten leben. Wir wählen die Abgeordneten, die die Politik in Straßburg und Brüssel machen. Und: Wir wählen bei den nationalen Wahlen die Politiker, die die im EU-Parlament gestaltete Politik durch den mächtigen Ministerrat und den einflussreichen Europäischen Rat, dem Gremium der Regierungschefs, überhaupt erst möglich machen. Die nationalen Regierungen sind dabei viel mächtiger, als dies, häufig auch von ihnen selbst, dargestellt wird. Sie können im EU-Ministerrat auf einer Ebene mit dem Europaparlament europäische Politik blockieren, gemeinsame Lösungen schaffen - oder eben verhindern. Und nur allzu gerne schieben die nationalen Politiker, die europäische Lösungen erst verhindert haben, den Schwarzen Peter dann nach Brüssel und behaupten, die EU habe mal wieder versagt.“

Diena (LV) /

Lettland und seine sonderbaren Kandidaten

Zur Europawahl kandidiert aus Lettland nicht nur der in einen Korruptionsskandal verwickelte Bürgermeister von Riga, sondern auch einige Ex-Minister, deren Politikbilanz recht dünn aussieht. Diena regt sich über die Personalauswahl auf:

„Ist es normal, dass wir so viele 'Brüssel-Flüchtlinge' haben? Nein! Definitiv nicht! Das Europäische Parlament ist schließlich kein Zufluchtsort für Leute, die wir in Lettland nicht haben wollen. Ebenso skeptisch sollten wir auch auf diejenigen schauen, die von den Parteien als 'Gastdarsteller' aufgestellt wurden, wie Lockvögel für naive Wähler. ... Es heißt immer, dass die Wähler eher emotional als rational entscheiden. Wichtig ist aber das Gleichgewicht. Mit Herz und Verstand sollten wir diesmal unsere Wahl treffen.“

Kauppalehti (FI) /

Finnland braucht engagierte Europapolitiker

Ähnlich uninspiriert empfindet Kauppalehti die Kandidatenauswahl in Finnland und appelliert an Parteien und Politiker, die Europawahl ernst zu nehmen:

„Da der Enthusiasmus für die EU-Wahlen in Finnland ohnehin schon so niedrig ist, ist das 'Wahlshopping' einiger Politiker besonders schädlich. Zwölf der bei den gerade erst abgehaltenen Parlamentswahlen gewählten Abgeordneten kandidieren für die EU-Wahlen. Einige von ihnen haben angekündigt, einen möglichen EU-Parlamentssitz gar nicht anzunehmen, ein anderer nur unter bestimmten Bedingungen. Finnland hat weniger als zwei Prozent der Sitze im Europäischen Parlament und auch der Brexit wird daran nichts grundlegend ändern. Deshalb ist es enorm wichtig, dass jeder Sitz von engagierten Personen besetzt wird. Dasselbe Prinzip sollte für die Auswahl der Kandidaten gelten.“

Libération (FR) /

Europa fehlt das Gemeinsame

Woran es Europa mangelt, erläutert der Schriftsteller Olivier Guez im Interview mit Libération:

„Es gibt regionale und nationale Kulturen, aber keine transnationale oder paneuropäische Kultur. ... Ich reise viel, und ich stelle dabei fest, dass jedes Land auf sich konzentriert ist. Sogar die Diskussionen und Ideen bleiben sehr national, die Kulturen sind voneinander abgegrenzt. Nur sehr wenige Autoren werden auf dem ganzen Kontinent gelesen. ... Es gibt keine europäische Denkweise! Europa hat es nicht verstanden, sich zu definieren, oder hat es nicht gewollt. Es hat keine gemeinsame Kultur oder Identität, und auch kein kulturelles Erbe. Natürlich gibt es eine europäische, transnationale kultivierte Gesellschaftsschicht, aber es gibt kein gemeinsames Narrativ von Europa, das die breitere Bevölkerung anspricht.“

Dagens Nyheter (SE) /

Sehnsucht nach mehr Europa

Was sich der Schriftsteller Mattias Svensson mit Blick auf die Europawahl wünscht, beschreibt er in Dagens Nyheter:

„Ich sehne mich danach, dass Dienstleistungen der gleichen Mobilität unterliegen wie Güter in Europa. Ich sehne mich nach einem globalen Handelsabkommen, das die Zölle für umweltfreundliche Waren und Dienstleistungen vollständig abschafft. ... Bis 2025 müssen die europäischen Steuerzahler die schmutzigsten Kohlekraftwerke subventionieren, aber ich sehne mich nach dem Tag, an dem staatlich subventionierte Kohle Geschichte ist. Ich sehne mich nach einem Europa, das produktiver, dynamischer und attraktiver ist als heute. Der Ausbau von Mobilität und Freiheiten ist nach wie vor eine Investition in eine solche Zukunft.“

Jydske Vestkysten (DK) /

Nicht zu nützlichen Idioten werden

In Dänemark können Wähler bereits seit Montag per Briefwahl ihre Stimme abgeben. Jydske Vestkysten warnt deshalb vor Falschnachrichten im Netz:

„Unser Verhältnis zur EU ist ein anderes als zum dänischen Parlament. Zwar hat die Union einen großen Einfluss auf unseren Alltag. Doch unser Wissen darüber ist nicht gerade überwältigend. Diese Schwäche können die EU-Gegner ausnutzen. Neuigkeiten in den sozialen Medien müssen grundsätzlich immer mit großer Skepsis gelesen werden. Aber jetzt müssen wir besonders vorsichtig sein, bevor wir etwas liken, teilen oder den Informationen glauben, die etwa auf Facebook auftauchen. Wenn wir daran mitwirken, Falschnachrichten zu verbreiten, werden wir zu nützlichen Idioten für jene Kräfte, die bestimmt nichts Gutes für unser Land im Sinne haben.“

La Vanguardia (ES) /

Wert der EU noch zu vielen Wählern unklar

Rund 100 Millionen Wahlberechtigte in der EU wissen einer aktuellen Studie zufolge noch nicht, für wen sie bei der Europawahl stimmen werden. Daran sind vor allem die Parteien Schuld, meint La Vanguardia:

„Der wichtigste Grund könnte das fehlende Engagement der nationalen Parteien in der Europapolitik sein. Außerdem ist es schwierig, den Wählern die Bedeutung der Aufgaben zu vermitteln, die die Politiker in Brüssel übernehmen - nicht nur bei der Regelung der Gegenwart, sondern auch bei der Schaffung besserer Rahmenbedingungen für das künftige Zusammenleben. ... Die Zukunft eines jeden EU-Mitgliedstaats, das Schicksal des Kontinents wird zunehmend in Brüssel entschieden. Es liegt an den Parteien, dies herauszustellen.“

Polityka (PL) /

Mussolinis Urenkel symbolisiert rechtes Italien

Die Kandidatur von Caio Giulio Cesare Mussolini verdeutlicht den Rechtsruck in Italien, erklärt Polityka:

„Der jüngste Politiker der Familie Mussolini scheut die Verbindungen zum Faschismus nicht. Seine erste Wahlkampfrede, die für den 10. April in Conselve geplant war, wurde wegen des Verdachts der Verbreitung faschistischer Thesen abgesagt. In dem Restaurant, in dem Mussolini auftreten sollte, waren Plätze für die Führer der neofaschistischen Gruppe Veneto Fronte Skinheads reserviert, die für ihre rassistische, gegen Einwanderer gerichtete Rhetorik bekannt sind und den Separatismus in Norditalien unterstützen. ... Angesichts der Stimmung in der italienischen Gesellschaft, die sich immer weiter polarisiert und Minderheiten ausgrenzt, ist es nicht unmöglich, dass seine Partei, Fratelli d'Italia, zumindest einige Sitze im EU-Parlament gewinnen wird.“

Politico (BE) /

Mehr Frauen ins Parlament!

Dass im EU-Parlament künftig mehr Frauen vertreten sind, wünscht sich Corinna Horst, stellvertretende Direktorin des Brüsseler Büros des German Marshall Fund in Politico:

„Auch in Europa sollten Frauen sich mehr darüber aussprechen, was wichtig für sie ist. Es gibt viel, über das man sich Sorgen machen muss: Die Unsicherheit wegen des Brexit, das Aufkommen des anti-europäischen und rechten Populismus, die ungelöste Frage, wie man mit Migration umgehen muss, oder die Reform der Eurozone. ... Um sowohl den Ton der Debatte als auch die Herangehensweise an große Probleme in Europa zu verändern, brauchen wir mehr Frauen, die dem Beispiel [anderer Politikerinnen] folgen. Das Rezept ist einfach: Parteien, stellt mehr Frauen auf. Frauen, lasst eure Stimme hören.“

El Mundo (ES) /

Keine abgehalfterten Politiker ins EU-Parlament!

Mehr denn je braucht die EU jetzt kompetente Abgeordnete, appelliert El Mundo an die Parteien, die gerade an den Wahllisten feilen:

„Im kommenden EU-Parlament werden die beiden großen Parteifamilien - Volkspartei und Sozialisten - alleine keine Mehrheit stellen. Somit werden Mehrparteien-Pakte nötig in einer Legislaturperiode, in der Europa im Einigungsprozess voranschreiten und mit vereinter Stimme sprechen muss, wenn es im immer komplexeren globalen Umfeld eine Rolle spielen will. Im Integrationsprozess durchleben wir einen Schlüsselmoment, der schlaue Köpfe in der Politik benötigt. Daher ist es natürlich kein gutes Zeichen, wenn die großen spanischen Parteien bei der Besetzung der Wahllisten das EU-Parlament eher als Elefanten-Friedhof [für ausgediente Politiker] verstehen, statt als wichtiges Entscheidungsgremium, das über unsere Gegenwart bestimmt.“

Azonnali (HU) /

Opposition verpasst ihre Chance

Die ungarischen Oppositionsparteien verschlafen die Chance, die Orbán-Gegner zu mobilisieren, meint das Onlineportal Azonnali:

„Das Bürgertum in den Städten und in der Provinz ist eigentlich bereit, wählen zu gehen. Das Lumpenproletariat des Fidesz wird man allerdings nur Blut schwitzend in Gang bringen können, denn es weiß nicht, was die Europawahl ist. Aktivieren kann man wahrscheinlich leicht alle, die bei Instagram oder Facebook ein Profil haben oder Index lesen. Und die wollen nicht den Fidesz wählen. Diese Leute hätte man nur ein bisschen motivieren müssen. ... Vielleicht eine gemeinsame Kampagne, die erzählt, dass eine der fünf [Oppositions-] Parteien eine Chance hat, wenn Du sie wählst. Egal welche, Du stimmst damit gegen Viktor Orbán.“

Daily Sabah (TR) /

EU wird von Islamgegnern unterwandert

Besorgt über den zu erwartenden Zuwachs an antieuropäischen und antimuslimischen Kräften im EU-Parlament zeigt sich Daily Sabah:

„Es werden nicht nur mehr extrem rechte und extrem linke populistische Parlamentsmitglieder nach dem 27. Mai 2019 durch die Korridore des EU-Parlaments laufen. Jener Institution, die von sich behauptet, das höchste demokratische Organ der EU zu sein und eine 'heilige' Verpflichtung zur Wahrung der Werte der EU hat. Es werden auch alle Ressourcen des EU-Parlaments, die für die EU-Bürger sehr kostspielig sind, von Parlamentsmitgliedern missbraucht, die in direkter Opposition zur EU und zur Türkei stehen. Steuergelder von europäischen Muslimen und Türken - die entweder EU-Bürger sind oder in der EU arbeiten - werden dafür verwendet, Muslime und Türken zu bekämpfen.“

Göteborgs-Posten (SE) /

Bitte keine Schwarz-Weiß-Gegensätze!

Der schwedische Gewerkschaftsbund wirbt mit einem Video für die Wahl, das den polnischen EU-Abgeordneten Korwin-Mikke zeigt, wie er niedrigere Löhne für Frauen fordert. Warum diese Polarisierung nicht hilfreich ist, erläutert Göteborgs-Posten:

„Diejenigen, die behaupten, Europa zu hassen, haben ihre Strategie geändert. Anstatt die EU als solche abzulehnen, wollen sie eine alternative Union. ... Es ist leichter zu behaupten, dass der Frieden in Europa bedroht ist, als zu sagen, dass eine neue Chemikalienrichtlinie benötigt wird oder dass eine europaweite Kontrolle des Einsatzes von Antibiotika erforderlich ist. ... Es kann daher attraktiv sein, die europäische Debatte auf eine Frage für oder gegen die EU zu reduzieren. ... Das funktioniert ausgezeichnet, wenn der Gegner ein fast parodistischer Korwin-Mikke ist. Es ist aber kaum geeignet gegen die 'Europa-Hasser', die bei dieser Wahl kandidieren.“

Haniotika Nea (GR) /

Europa ist für Griechen sehr weit weg

Wie die Europawahl in der griechischen Öffentlichkeit behandelt wird, erzürnt Haniotika Nea:

„Es war schon immer so in unserem Land. Seit dem EU-Beitritt (1981) haben die Europawahlen stets mehr mit unseren inneren Angelegenheiten zu tun gehabt, als mit den Geschehnissen in Europa! Keiner informiert uns über das, was wir Europa nennen, und das, was heute dort passiert. Wir sprechen von der Europawahl, aber wir betrachten Europa als etwas fernes, etwas, das nur die Deutschen, die Franzosen, die Italiener angeht, aber nicht den durchschnittlichen griechischen Wähler. Es ist eines der Paradoxe griechischer Politik: Die Europawahl steht bevor und die Politiker konzentrieren sich auf uralte Skandale, Korruption, Verflechtung, die Kandidaten. ... Nicht also auf das Wesen der Europawahl: die Zukunft der großen Familie - die wichtigste Nachkriegsleistung der Welt.“

Le Monde (FR) /

EU muss Migrationspolitik anpacken

Migrationspolitik sollte eine große Rolle im Wahlkampf spielen, mahnt Le Monde:

„Es gibt bei diesem sensiblen Thema weiterhin das Risiko, dass alles aus dem Ruder läuft. Das jüngste Beispiel ist der Streit in Europa Ende 2018 um den Beitritt zum globalen Pakt für sichere, geordnete und reguläre Migration ging - von der Uno unterstützt und von den Populisten verschrien. Brüssel hat noch immer keine gemeinsame Migrationspolitik entwickelt, nicht einmal eine Asylpolitik. Welchen Lauf der Wahlkampf auch nehmen mag, die Migrations-Problematik bleibt eine der wichtigsten Prioritäten der Regierenden in der EU. Denn die Länder haben sich in den letzten Jahren als unfähig erwiesen, genügend Solidarität aufzubringen, um gemeinsam ein Problem anzugehen, für das es keine nationale Lösung geben kann. Das zu vergessen bedeutet, den Rechtsextremen in die Hände zu spielen.“