Was bedeutet die Wahl in Finnland für Europa?
In Finnland haben die Sozialdemokraten die Wahl knapp vor den Rechtspopulisten und den Konservativen gewonnen. Es ist ihr erster Wahlsieg seit 1999. Die Zentrumspartei von Premier Sipilä verlor deutlich. Kommentatoren beleuchten den Erfolg der Rechten.
Abschied von Utopia
In Skandinavien beherrschen heute die Rechtspopulisten den Diskurs, klagt die Süddeutsche Zeitung:
„Schweden ist das einzige Land, das seine Rechtspopulisten - noch - isoliert. In Finnland waren sie, in Norwegen sind sie Teil der Regierung, in Dänemark stützen sie die Regierungskoalition und lassen sich diese Unterstützung abkaufen mit immer neuen, immer absurderen Verschärfungen der Ausländerpolitik. Weder die Isolierung noch das Einbinden der Rechtspopulisten scheinen in Nordeuropa einen Unterschied zu machen, ihre Wahlergebnisse bleiben stabil. Das wird sich wohl auch nicht ändern, solange ... sämtliche politischen Akteure dasitzen wie das Kaninchen vor der Schlange. Skandinavien hat der Welt einst eine Utopie für eine bessere Zukunft geschenkt. Doch wo früher leidenschaftliches Gestalten war, ist heute nur mehr Verzagtheit.“
Flüchtlingsfrage zieht immer noch
Hospodářské noviny sieht in dem Ergebnis der Wahl zwei Trends:
„Es gibt eine gewisse Stabilisierung der europäischen sozialdemokratischen oder sozialistischen Parteien, jedoch auf einem wesentlich niedrigeren Niveau als zu Zeiten, in denen sie regelmäßig Regierungen bildeten. Gleichzeitig wird die anhaltende Wirkung des Themas Einwanderung bestätigt, obwohl die Zahl der Neuzuwanderer nach Europa deutlich zurückgegangen ist. ... Die Abstimmung war eine Botschaft an Europa, da die Partei Die Finnen zusammen mit dem italienischen Vizepremier Salvini und der deutschen AfD bereits angekündigt hatte, dass sie ihre eigene einflussreiche parlamentarische Fraktion im EU-Parlament gründen wollen. Gelänge das, könnten die Christdemokraten und Sozialisten ihre Mehrheit in der einzigen direkt gewählten Institution der EU verlieren.“
Zweifel an Europa werden immer lauter
Die EU muss endlich überzeugende Lösungen für die drängenden Probleme finden, mahnt El Mundo:
„Es ist nicht das erste Mal, dass man in Europa auf ideologisch komplizierte Koalitionen zurückgreifen muss, um zu verhindern, dass europa- und fremdenfeindliche Bewegungen an die Macht kommen. Was in Finnland geschehen ist, ist ein weiteres Zeichen für die Zweifel der europäischen Bürger am Projekt der EU, die unfähig ist, überzeugende Antworten auf die Probleme der Wirtschaftskrise und der Migration zu geben. Die EU steht zweifellos vor dem großen Risiko eines internen Bruchs.“
Regierungsbildung wird sich hinziehen
Warum es diesmal wohl länger dauern wird mit der Regierungsbildung, erklärt Dagens Nyheter:
„Drei große Parteien gibt es jetzt nach der Wahl am Sonntag: die Sozialdemokraten, die Rechtspopulisten und die bürgerliche Partei. In einer solchen Situation kann eine Regierungsbildung schwierig sein - nicht zuletzt, wenn die Populisten draußen gehalten werden sollen. ... Doch angesichts des EU-Wahlkampfs ist es denkbar, dass [der Chef der Sozialdemokraten] Antti Rinne auf die Ergebnisse Ende Mai wartet, um zu sehen, wo die Parteien dann landen. Finnland wird im Juli die EU-Ratspräsidentschaft übernehmen, und daher ist die EU-Politik der Parteien nicht völlig unwichtig. Vielleicht wird die nächste Regierung also doch nicht über Nacht gebildet.“
Zeitalter der Unsicherheit
Die Zersplitterung der Parteienlandschaft wird sich negativ auswirken, prophezeit Helsingin Sanomat:
„Das Wahlergebnis von Sonntag bedeutet, dass in Finnland sehr schwierige Koalitionsverhandlungen anstehen. Ein solches Wahlergebnis hat es in Finnland noch nicht gegeben. In Finnland gibt es nun nicht mehr eine einzige große Partei, sondern wir haben drei gleichstarke mittelgroße Parteien, beziehungsweise fünf mittelgroße Parteien, deren Wahlresultate nicht mehr als sechs Prozentpunkte auseinander liegen. Nie zuvor hat es eine derartige Grundlage für die Bildung einer Regierung gegeben. ... Es sieht so aus, als ob wir in ein neues politisches Zeitalter eintreten. Man könnte es die Zeit der Unsicherheit nennen.“
Rechtspopulisten unter Beobachtung
Es ist wichtig, dass alle großen Parteien eine Zusammenarbeit mit der rechtspopulistischen Partei Die Finnen kategorisch ausgeschlossen haben, kommentiert Index:
„Es ist nicht egal, wie lange die Koalitionsverhandlungen dauern werden, weil Finnland im nächsten Halbjahr den EU-Ratsvorsitz übernehmen wird. Und ein paar Wochen nach der finnischen Parlamentswahl steht schon die Europawahl an. Die Nachrichtenagentur Reuters meldet, dass man auch in Brüssel die Ergebnisse der Wahl und das Abschneiden der Rechtspopulisten genau beobachtet hat. Denn die sind der migrationsfeindlichen Parteienfamilie von Italiens Innenminister Matteo Salvini beigetreten, die sich vor der Europawahl in Mailand gegründet hat.“