Rumänien: PSD-Chef Dragnea muss hinter Gitter
Ein Berufungsgericht hat am Montag die Haftstrafe gegen den Chef der rumänischen Regierungspartei PSD, Liviu Dragnea, bestätigt: Wegen Amtsmissbrauch muss er dreieinhalb Jahre ins Gefängnis. Zuvor hatte seine Partei eine Schlappe bei der Europawahl hinnehmen müssen. Sie schaffte es nur auf Platz zwei hinter der liberalen PNL. Kann Rumänien jetzt aufatmen?
Hilfe aus dem Ausland
Dank der EU-Mitgliedschaft konnte eine erstarkte Zivilgesellschaft den PSD-Chef hinter Schloss und Riegel bringen, analysiert die Neue Zürcher Zeitung:
„Ohne die EU-Mitgliedschaft und die Personenfreizügigkeit wäre die Mobilität der Rumänen niemals so gross, und die Diaspora spielte eine geringere Rolle als Modernisierer. Doch die Bürgergesellschaft in Rumänien ist auch auf Verbündete jenseits der Mitbürger im Ausland angewiesen. Solche Bündnisse kann die EU anbieten. Nachdem die tüchtige Staatsanwältin und Korruptionsjägerin Laura Codruta Kövesi vom Regime ausgebootet worden war, wurde sie als Kandidatin für den Posten der EU-Staatsanwältin ausgewählt. Und für den Widerstand des liberalen Staatspräsidenten Klaus Johannis, der sich dem Machtkartell der Regierung entgegenstemmt, ist der Rückhalt bei Amtskollegen in der EU entscheidend wichtig.“
Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen
Ob Dragnea tatsächlich hinter Gittern bleibt, wird sich erst noch zeigen, glaubt hingegen die Süddeutsche Zeitung:
„Die parteinahen Mitglieder des Verfassungsgerichts etwa könnten den PSD-Chef mit einem juristischen Taschenspielertrick wieder auf freien Fuß setzen. Sie müssten nur die Auswahl der Richter für den Prozess gegen Dragnea nachträglich für verfassungswidrig erklären. Doch egal wie die Sache vor Gericht ausgeht, Dragneas politisches Ende ist nahe. Das katastrophale Ergebnis der Europawahl reichte, damit prominente PSD-Politiker endlich dessen Sturz fordern. Dieser ist nur eine Frage der Zeit.“
Wähler ließen sich nicht manipulieren
Die Rumänen lassen sich nicht für dumm verkaufen, konstatiert Adevărul:
„Die PSD hat das gesamte Propaganda-Arsenal, das sie von den kommunistischen Vorgängern geerbt hat, eingesetzt, um die Demokratie in Rumänien zu verfälschen, um zu den früheren Zeiten zurückzukehren, nach denen sie sich immer gesehnt hat. Die PSD glaubte, der Mensch sei nur gut, um manipuliert und dressiert zu werden, indem man ihm auf seine Rente oder seinen Lohn 100 Lei [ca. 21 Euro] draufschlägt. ... Doch die Rumänen sind nicht so dumm, wie es die PSD wollte. Die Rumänen glauben an Werte und ehrliche Arbeit. Sie sind nicht anti-europäisch und würden Europa auch nicht verlassen wollen, damit die PSD-Chefetage in aller Ruhe stehlen kann.“
Drama bei den Sozialdemokraten
Wie die Sozialdemokraten in eine solche Lage geraten konnten, erläutert România Curată:
„Der Kampf gegen die Justiz, die Ignoranz gegenüber moralischen Werten, sinnlose Wirtschaftsmaßnahmen, von denen man langsam die negativen Folgen spürt, ein xenophober, antieuropäischer Diskurs - das sind Elemente einer Politik, die alles auf eine Karte setzt: Entweder wir gewinnen oder wir stürzen ab. ... Der größte Fehler der Partei war jedoch die Berufung von Premier Viorica Dancilă. Die PSD hat eine Menge fähiger Leute, doch an die Macht kamen die Gehorsamen. Ständig fürchtete Dragnea um seinen Chefposten, er verhinderte Regierungsmitglieder, die für ihn zur Konkurrenz hätten werden können. ... Die PSD steht vor einer dramatischen Zerreißprobe.“