Rumänien: Verurteilter Dragnea will nicht gehen
Liviu Dragnea, Chef der rumänischen Sozialdemokraten (PSD) und zudem der Abgeordnetenkammer, will in seinen Funktionen verbleiben, obwohl er in erster Instanz wegen Anstiftung zum Amtsmissbrauch verurteilt wurde. Erneut gingen deshalb Tausende gegen den Abbau des Rechtsstaats in Rumänien auf die Straße. Kommentatoren bezweifeln, dass der Widerstand etwas bewirken wird - zumal die EU schweigt.
Dragnea weiß, dass EU ihn nicht strafen wird
Weder bei den Rumänen noch in Europa stößt der Abbau des Rechtsstaats auf starken Widerstand, klagt die Süddeutsche Zeitung:
„Gewiss, einige Zehntausend Menschen demonstrieren in Bukarest und anderen Städten gegen die Gesetzesänderungen, die Rumäniens Justiz zahnlos machen sollen. Von jener halben Million Menschen aber, die Anfang 2017 auf den Straßen waren, ist der rumänische Protest weit entfernt. Und Europas Reaktion ist geradezu beschämend. Berlin, Paris, die gesamte EU-Kommission unternehmen so gut wie nichts … Der Sündenfall war der ungeahndete autoritäre Staatsumbau in Ungarn, gefolgt vom Versagen bei der Beseitigung des Rechtsstaats in Polen. Dragnea dürften die schlechten Vorbilder als Ansporn dienen, die eigene Macht durch den Abbau des demokratischen Rechtsstaats zu sichern.“
Europa zu geschwächt für eine Reaktion
Revista 22 erklärt, warum seitens der EU-Kommission keine kritischen Töne zu hören sind:
„Wir sind eben nicht mehr im Jahr 2012, als [der damalige PSD-Chef und Premier Victor] Ponta von der EU-Kommission und westlichen Mächten aufgefordert wurde, eine Mindest-Beteiligung bei Referenden einzuführen [damals versuchte die PSD, Staatschef Traian Băsescu per Volksabstimmung abzusetzen]. Die EU ist geschwächt und gespalten. Die Migration, das Unverständnis unter einigen EU-Staaten, der immer größere Bruch zwischen der Union und den USA unter der Trump-Verwaltung, der Brexit, die Front der 'Osteuropäer', der sich nun auch Rumänien anschließt, die Machenschaften Russlands, all das sagt uns, dass wir keine Reaktion sehen werden. Wir sind auf uns allein gestellt.“
Der Großputz hat begonnen
Die Ära Dragnea neigt sich dem Ende zu, meint der Rumänische Dienst der Deutschen Welle:
„Wieder macht diese machthungrige Clique die Rechnung ohne den Wirt: die Zivilgesellschaft lässt sich nicht mehr einschüchtern und geht auf die Straße. Seit Anfang 2017 jeden Tag. Mal sehr zahlreich, mal mit weniger Menschen. Aber unbeirrt. Dieses demokratische Aufbäumen einer Gesellschaft kann von normal denkenden PSD-Politikern nicht länger ignoriert werden. … Mit anderen Worten: Der Großputz hat begonnen, die Ära Dragnea neigt sich ihrem Ende zu. Es geht nicht nur ums nackte Überleben der Sozialdemokraten als politische Kraft. Es geht längst auch um die Glaubwürdigkeit Rumäniens als Mitglied in EU und Nato.“
Gesichtsverlust vor den anderen EU-Staaten
Die PSD kann nicht länger an Dragnea festhalten, findet Daniel Gorgonaru auf seinem Blog bei Adevărul:
„Ein Land, in dem der Chef der wichtigsten Partei, der zugleich Chef der Abgeordnetenkammer ist, zum zweiten Mal verurteilt wurde, wird zu einem inakzeptablen Partner für andere EU-Staaten. Mehr noch: Die rumänischen Sozialdemokraten werden zu einem 'Mühlstein' für die Kollegen der Sozialdemokratischen Partei Europas (SPE). Sie werden von ihren Feinden aus der Europäischen Volkspartei (EVP) in die Ecke gedrängt und beschuldigt werden, dass sie einen Verurteilten unterstützen und eine Regierung, die sich diesem vollständig unterordnet. … Angesichts dessen verpflichtet der politische Pragmatismus die PSD-Anführer, zu überlegen, wie Liviu Dragnea sein Amt abgeben könnte - indem man ihn entweder überzeugt oder dazu zwingt.“