Können wir den Klimawandel nicht mehr stoppen?
Der US-amerikanische Autor Jonathan Franzen hat einen vielbeachteten Essay zum Klimawandel vorgelegt. Darin fordert er die Menschheit auf, sich auf die Folgen des Klimawandels vorzubereiten, der nicht mehr zu verhindern sei. Nicht alle Kommentatoren sind mit diesem Ansatz einverstanden.
Nicht den falschen Kampf kämpfen
In seinem Essay in The New Yorker schreibt Franzen:
„Ein totaler Krieg gegen den Klimawandel hatte nur Sinn, solange er zu gewinnen war. Nur wenn wir akzeptieren, dass wir den Krieg verloren haben, erlangen andere Gegenmaßnahmen eine größere Bedeutung. Vorbereitungen auf Brände, Überschwemmungen und Flüchtlinge sind passende Beispiele. ... In Zeiten zunehmenden Chaos suchen die Menschen Schutz in Tribalismus und militärischer Stärke, nicht in Rechtsstaatlichkeit. Unsere beste Verteidigung gegen diese negative Utopie besteht darin, funktionierende Demokratien, Rechtssysteme und Gemeinschaften aufrechtzuerhalten. So gesehen ist jeder Schritt in Richtung einer gerechteren und zivileren Gesellschaft eine sinnvolle Klimaschutzmaßnahme.“
Defätismus ist eine faule Ausrede
Die Klima-Apokalypse ist keineswegs unvermeidlich, widerspricht der Klima- und Meeresforscher Stefan Rahmstorf in einem Gastbeitrag auf Spiegel Online:
„Franzen glaubt, ... dass die Apokalypse da ist, sobald wir 2,1 Grad globale Erwärmung erreichen - und dass danach alles egal ist. Doch die Klimakrise verschlimmert sich stetig weiter, von zwei auf drei auf vier Grad, und immer wird es sich lohnen, gegen jedes weitere Zehntelgrad zu kämpfen. ... Aufgeben ist keine Option - schon gar nicht, bevor wir nicht einmal das Offensichtliche versucht haben. ... Defätismus ist vor allem eine bequeme Haltung. Man kann sich damit gemütlich einrichten und über das sich langsam entfaltende Klimadesaster lamentieren, ohne etwas dagegen tun zu müssen. Der Defätismus ist so wie die Leugnung des Problems nichts weiter als eine Ausrede fürs Nichtstun. Er ist eine verantwortungslose Haltung.“
Nötige Konfrontation mit dem Abgrund
Franzen liefert einen nützlichen Anstoß für die gesellschaftliche Debatte, findet hingegen Vincent Rigoulet in seinem Blog bei Mediapart:
„Es ist ein radikaler, aber ausgesprochen rationaler Standpunkt, der in den Mittelpunkt der Diskussionen gestellt und mit der gesamten Kraft unseres Scharfsinns untersucht wird - auch wenn die hier angesprochene Wahrheit an die Grenzen des Erträglichen stößt. Es ist jedoch die Aufgabe von Schriftstellern, Meinungen, falsche Hoffnungen und geteilte Illusionen außen vor zu lassen, um uns an den Rand des Abgrunds zu stellen und uns zu zwingen, hinunterzuschauen. Das ist die notwendige Bedingung, um das zu retten, was noch gerettet werden kann. Um die Anzahl der Todesopfer und das Leiden von morgen zu begrenzen.“