Frankreich: künstliche Befruchtung für alle?
Künstliche Befruchtung ist in Frankreich bisher nur für verheiratete heterosexuelle Paare möglich. Ein neues Gesetz zur Bioethik, das am heutigen Dienstag im Parlament besprochen wird, soll das ändern. So sollen künftig alle Frauen, unabhängig von Familienstand und sexueller Orientierung, Zugang zur medizinisch unterstützten Fortpflanzung bekommen. Kommentatoren finden, dass die Debatte falsch geführt wird.
Industrialisierung des Menschen steht bevor
Es geht im neuen Gesetz nicht nur um die künstliche Befruchtung für homosexuelle Paare, warnt die konservative Aktivistin Laurence Trochu in Le Figaro:
„Der Fakt, dass die künstliche Befruchtung für alle so viel mediale Aufmerksamkeit auf sich zieht, sollte die wichtigen Fragen, die diese dritte Revision des Bioethik-Gesetzes aufwirft, nicht verdrängen. Hier geht es auch um Embryonen- und Stammzellenforschung: genetisch modifizierte Babies, In-vitro-Fertilisation mit drei Eltern, Chimären aus Mensch und Tier, Kreation von Keimzellen. ... Deshalb sollte das gesamte Bioethik-Gesetz abgelehnt werden. ... Der Gesetzentwurf von 2019 stößt die Türe auf zur Ära der Industrialisierung des Menschen und der Veränderung des menschlichen Genoms.“
Fortpflanzung schon lange "unnatürlich"
Der Philosoph Paul B. Preciado argumentiert in Le Soir, dass die Debatte um künstliche Befruchtung den Blick zu sehr verengt:
„Wenn ich von 'Reproduktions-Technologien' spreche, meine ich absolut nicht die künstliche Befruchtung: In Wahrheit müssen wir die gesamte Geschichte der Reproduktion als Geschichte der Techniken zur Beihilfe von Reproduktion verstehen. Das Familienregime, das Frauen vom politischen Leben ausschloss und sie zur Haft im Haushalt verdammte, ist eine Technik, um die Reproduktion zu kontrollieren. Aber das ist uns so eingepflanzt worden, dass wir nun den Eindruck haben, uns gegen die 'Natur' zu erheben.“