Ukraine: Was würde eine US-russische Einigung bedeuten?

Washington und Moskau haben sich laut Donald Trump über Bedingungen zur Beendigung des Ukraine-Kriegs geeinigt: "Ich glaube, wir haben einen Deal mit Russland", so der US-Präsident. Russlands Zugeständnis sei, "den Krieg zu beenden und nicht das ganze Land einzunehmen". Auch Moskaus Außenminister Sergej Lawrow sagte, man sei prinzipiell "bereit, ein Abkommen zu schließen". Trump hatte zuvor Selensky hart wegen dessen Festhalten am Anrecht auf die Krimkritisiert.

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La Libre Belgique (BE) /

Nur ein vorgegaukelter Frieden

Für La Libre Belgique ist nicht ersichtlich, welches Ziel die USA mit ihrer erbarmungslosen Haltung verfolgen:

„Donald Trump zwingt den Ukrainern nicht nur Schweigen und Unterwerfung auf. ... Sich russischen Waffen zu beugen, bedeutet künftige bewaffnete Angriffe auf Osteuropa oder gar Taiwan zu legitimieren. Eine schnelle, aber ungerechte Lösung würde die Welt in ihren Grundfesten erschüttern. Es ist schwer zu verstehen, welchen Nutzen die USA aus solch einem Chaos ziehen wollen außer einem vorgegaukelten Frieden, der nicht lange währt. Auch wenn Trump sich bereits als Friedensnobelpreisträger ausmalt, verspricht er keinen Frieden, sondern eine Waffenruhe mit dem Beigeschmack einer Kapitulation.“

Maria Zolkina (UA) /

Washingtons Taktik zieht nicht mehr

Politologin Marija Solkina hält auf Facebook die Ukraine und Europa für weitgehend immun gegen die US-Drohung, als Vermittler auszusteigen:

„Trumps Taktik der ersten drei Monate in puncto Ukraine und Russland – Offensive, Druck und Blitzkrieg – ist gescheitert. Die Ironie ist, dass man in Washington nicht versteht, dass es unmöglich ist, die Ukraine und Europa mit einem Ausstieg der USA aus dem Beilegungsprozess zu erpressen. In Kyjiw, London, Paris, Warschau und Berlin ist man sich darüber im Klaren, dass Trump sich in jedem Fall aus diesem Prozess zurückziehen wird, selbst wenn die Ukraine allen Bedingungen zustimmen würde.“

Carina Cockrell-Ferre (RU) /

Jeder misstraut jedem

Autorin Carina Cockrell-Ferre bezweifelt auf Facebook, dass mit Trump überhaupt verbindliche Absprachen möglich sind:

„Trump ist ein Radikaler. Er ist bis zum Anfang der Evolution zurückgegangen und hat alle Regeln komplett aufgehoben. Als Konzept. Was ist daran so gefährlich? ... Indem man die Regeln aufhebt, hebt man jede Geschäftstätigkeit auf, weil sie ohne Vertrauen in Vereinbarungen nicht denkbar ist. Und Vertrauen ist undenkbar, wenn Regeln und Vertragstreue aufgehoben werden. Von was für einem Waffenstillstand soll da die Rede sein? Ein Waffenstillstand ist eine Vereinbarung – und eine Vereinbarung heißt Vertrauen. Und jetzt haben Putin und Trump eine Situation geschaffen, in der niemand mehr irgendwem vertrauen kann. Niemanden. Und es beginnt ein Hobbesscher Krieg aller gegen alle. “

La Repubblica (IT) /

Das Münchner Abkommen lässt grüßen

Für La Repubblica wäre dieser Deal ein Diktatfrieden:

„Erstens die offizielle Anerkennung der Krim als russisch: ein eklatanter Verstoß gegen das Völkerrecht. Zweitens die De-facto-Anerkennung der anderen von Moskau besetzten ukrainischen Gebiete durch die USA. Drittens keine Nato für Kyjiw (aber Ja zur EU-Mitgliedschaft). Viertens US-Kontrolle über das Kernkraftwerk Saporischschja. Fünftens ein Deal über die Ausbeutung ukrainischer Mineralien und seltener Erden durch die USA. Sechstens eine drastische Lockerung der US-Sanktionen gegen Russland, ja sogar Zusammenarbeit im Energiebereich. ... Putin wird lediglich aufgefordert werden, Russland aus einigen besetzten Gebieten, etwa um Cherson, abzuziehen und den Ukrainern so den Zugang zum Dnipro zurückzugeben. ... Das ist zu wenig in dieser neuen dunkelsten Stunde Europas. Hoffen wir, dass das kein neues Münchner Abkommen wird.“

Aktuálně.cz (CZ) /

Plan folgt nur den militärischen Realitäten

Aktuálně.cz kommt zu folgender Analyse:

„Die faktische (wenn auch nicht de jure) Aufgabe der Krim und der derzeit von Russland besetzten Gebiete ist eine Bestätigung der Realität auf dem Schlachtfeld. ... Nur wenige Menschen glauben heute, dass diese Gebiete mit Waffengewalt befreit werden könnten. Selbst der Traum von einer Mitgliedschaft im Nordatlantischen Bündnis ist seit Langem gänzlich unrealistisch. Das Mineralienabkommen ist eindeutig als eine Art Rückzahlung für die amerikanische Hilfe gedacht, könnte aber auch amerikanische Investitionen und damit eine Form amerikanischer Präsenz im Land bedeuten – dies hängt von den Einzelheiten des Abkommens ab, das bereits mehrmals überarbeitet wurde.“

Die Presse (AT) /

Bedenkliches Signal an imperialistische Autokraten

In völkerrechtlicher Hinsicht wäre eine Umsetzung des "Friedensplans" fatal, betont Die Presse:

„Hochproblematisch ist, dass die mächtigste Nation der Welt mit einer Anerkennung der Krim als 'russisch' Moskaus Landraub entkriminalisieren und zu einer rechtsgültigen Praxis aufwerten würde. Der Völkerrechtsbruch? Kein Problem für den 'Dealmaker' Trump! Die Folgen könnten fatal sein: Völkerrechtliche Prinzipien, vor deren Missachtung jetzt noch manch Autokrat mit imperialen Gelüsten zurückschreckt, hätten wohl endgültig ausgedient. Und schließlich: Ohne Sicherheitsgarantien für die Ukraine wäre ein unsauberer Deal ohnehin nichts wert. ... Absolut nichts würde Putin daran hindern, in Zukunft erneut anzugreifen.“

G4Media.ro (RO) /

Rumänien muss im eigenen Interesse blockieren

G4Media.ro warnt vor den Folgen für Europa:

„Wenn Russland das Schwarze Meer beherrscht, mit einem Viertel des ukrainischen Territoriums 'belohnt' wird und seine Wirtschaft in eine Kriegswirtschaft umgewandelt hat, was soll es dann noch davon abhalten, in ein paar Jahren Rumänien anzugreifen? Hochrangige EU-Diplomaten und Militärs warnen monatlich davor, dass Russland in spätestens fünf Jahren ein Nato-Land angreifen könnte, um das Bündnis zu testen und die EU zu destabilisieren. Deshalb muss Rumänien jetzt alles diplomatisch und politisch Erdenkliche tun, um eine Annahme des von Donald Trump vorgeschlagenen Abkommens zu verhindern.“

Trud (BG) /

Zeit für ein Ende des Krieges

Trud sieht eine zunehmende Bereitschaft zu Zugeständnissen bei der ukrainische Bevölkerung:

„Selenskyj sieht sich auch mit dem Überdruss und der Verzweiflung seiner Landsleute konfrontiert, die zunehmend bereit sind, weitere Zugeständnisse zu machen, einschließlich territorialer Zugeständnisse. Ohne ein Referendum sind diese nicht möglich, so steht es in der ukrainischen Verfassung, aber nach den jüngsten Umfragen ist jetzt sogar ein Drittel der Ukrainer dazu bereit, im Vergleich zu weniger als zehn Prozent im Jahr 2022. ... Das Ende des Krieges ist nun am Verhandlungstisch erreichbar. Es gibt kaum noch jemanden, der glaubt, dass die Ukraine Russland besiegen kann – auch nicht mit Hilfe ihrer Verbündeten.“

Echo24 (CZ) /

Kompromiss ist immer noch möglich

Eine Perspektive jenseits von Schwarz und Weiß versucht Echo24 aufzuzeigen:

„Den Ukrainern ist vermutlich klar, dass die Rückeroberung der Krim derzeit außerhalb ihrer Möglichkeiten liegt. Bei den Verhandlungen in Istanbul im März 2022 waren sie bereit, einer Verschiebung der Krim-Frage um 15 Jahre zuzustimmen. Es kommt auf der Welt nicht selten vor, dass offiziell anerkannte Grenzen nicht den tatsächlichen Grenzen entsprechen. Der Großteil der Welt stimmt beispielsweise der 'Ein-China'-Politik zu, doch in Wirklichkeit wird Taiwan als unabhängiger Staat behandelt. Die Grenze zwischen Nord- und Südkorea ist lediglich eine Waffenstillstandslinie. Ebenso verhält es sich mit der Grenze zwischen Indien und Pakistan in Kaschmir: Beide Länder erheben Anspruch auf die gesamte Provinz.“