Ist die Leichtathletik-WM in Katar ein Fehler?
Höchstleistungen in quälender Hitze, leere Stadien ohne Stimmung: Viele Sportler kritisieren die Austragung der Leichtathletik-WM in Doha. Der Weltverband IAAF verteidigt hingegen seine Strategie zur Globalisierung des Sports. Europas Kommentatoren schließen sich der Kritik der Athleten an und lassen kaum ein gutes Haar an dem Sportereignis.
Trauriger Karriere-Höhepunkt für Sportler
Unter der Vergabe der Großveranstaltung an Katar leiden vor allem die Athleten, klagt The Guardian:
„Diese Leichtathletik-Weltmeisterschaft ist zu einer PR-Katastrophe für die Leichtathletik, den Präsidenten des Verbands, Sebastian Coe, und für Katar geworden, ein Land, das das vergangene Jahrzehnt damit verbrachte, die Rechte für die Ausrichtung von Großveranstaltungen, einschließlich der Fußball-WM 2022, aufzukaufen. ... Coe behauptet weiterhin, dass die Leichtathletik in neue Regionen vordringen muss, um die Verbreitung des Sports zu unterstützen. Erzählen Sie das den 1972 Athleten aus 208 Ländern hier in Doha. Für viele wird diese WM der Höhepunkt ihrer Karriere sein. Wie traurig ist es dann, dass sie zu einem Tiefpunkt für ihren Sport zu werden droht.“
Keine guten Vorzeichen für die Fußball-WM
Natürlich ist körperliche Anstrengung integraler Bestandteil des Wettkampfes, aber in Katar geht man wohl ein wenig zu weit, wettert Corriere del Ticino:
„Statt Rekorde zu schlagen, kämpft man in Doha eher darum, die Zielgerade lebend zu erreichen, was an sich schon eine große Leistung ist. ... Nach dem, was wir bisher in Doha gesehen haben, wo im Stadion versucht wird, das Klima (und die erhitzten Gemüter) mit Riesen-Klimaanlagen der neuesten Generation abzukühlen, kann die Sorge nur 2022 betreffen: Schon jetzt ist für einige Kommentatoren der Flop der Leichtathletik-Weltmeisterschaft nur der Vorbote dessen, was uns bei der noch wichtigeren und populäreren Fußball-Weltmeisterschaft, ebenfalls in Katar, droht.“
Alles nur für die Fernsehbilder
Dass die Zuschauerränge in Doha leer sind, kümmert die Sportfunktionäre nicht, weiß der dreifache Speerwurf-Olympiasieger Jan Železný, der in Denik zu Wort kommt:
„Aus kommerzieller Sicht sind nicht die Zuschauer im Stadion wichtig, sondern die an den Fernsehgeräten. Entscheidend für die Einschaltquoten ist, wie ein solches Ereignis dort präsentiert wird. Das hängt von den Leistungen der Athleten und Kommentatoren ab. Als ich im Internationalen Olympischen Komitee war, hieß es immer, dass große Stadien überflüssig seien. Wichtig seien die Einschaltquoten. Die brächten den Mehrwert in Form des Geldes für die Sponsoren.“
Ein sportliches Verbrechen
Empörung äußert auch Lapin Kansa:
„Die außergewöhnlich schlechte Menschenrechtslage des Landes war schon bekannt, als in den Hinterzimmern des IAAF über den Austragungsort der Wettkämpfe entschieden wurde. ... Kein einziger Staat und auch kein Sportler boykottierte die WM, obwohl das Austragungsland die Menschenrechte ungeniert mit Füßen tritt und nicht das Geringste unternimmt, dies zu ändern. ... Die Vergabe der Wettkämpfe an das von einer Familie regierte Katar ist ein sportliches Verbrechen, das in seiner Schamlosigkeit sogar noch die Fußball-WM in Russland und die 2022 in China stattfindende Olympiade übertrifft.“