Wahl in Spanien bringt keine Erleichterung
Nach der Parlamentswahl in Spanien am Sonntag gibt es nach wie vor keine eindeutige Mehrheit. Die Sozialisten blieben zwar stärkste Kraft, die konservative Partido Popular und die rechtsextreme Vox konnten aber Stimmen hinzugewinnen. Das linke Bündnis um Podemos verlor sieben Sitze. Kann die Blockade überwunden werden?
Hasardeur Sánchez sollte endlich zuhören lernen
Für die Frankfurter Rundschau ist Pedro Sánchez der große Verlierer:
„Er will das zwar nicht einsehen, aber das Ergebnis der spanischen Parlamentswahlen ist ein Desaster fürs Land und für ihn. Sánchez ist ein Hasardeur: einer, der alles aufs Spiel setzt und kein Risiko scheut. ... So gewann er vor ein paar Jahren die Führung seiner Sozialistischen Arbeiterpartei, auch wenn die Partei darüber beinah zerbrochen wäre. So kam er, per Misstrauensvotum, an die Regierung und gewann die Wahlen im April. Spätestens da hätte er seinen Politikstil ändern sollen. ... Offenbar kann er das nicht. Er kann nur allein gegen alle. So lässt sich kein plurales Land regieren. ... Diese Wahl sollte ein Weckruf für ihn sein. Er sollte sich öffnen und lernen zuzuhören.“
Premier muss nun Konzessionen machen
Eine große Koalition hält Journal 21 für unwahrscheinlich:
„Da weder die Linke noch die Rechte eine Regierung bilden können, bliebe - rein rechnerisch - nur eine grosse Koalition zwischen den Sozialisten und der Volkspartei PP. Diese beiden traditionellen Blöcke stehen sich seit Jahrzehnten als 'historische Feinde' gegenüber und lösten sich immer wieder in der Regierung ab. Dass sie jetzt zu einer Koalition zusammenfinden, gilt als eher unwahrscheinlich. Die einzige Möglichkeit wäre, dass die Sozialisten eine Minderheitsregierung bilden, die von der Volkspartei toleriert wird. Dazu allerdings müssten die Sozialisten inhaltlich der PP entgegenkommen. Und vor allem auch müsste Ministerpräsident Pedro Sánchez seine immer wieder zutage getretene Arroganz etwas mässigen und zu Konzessionen bereit sein.“
Ständige Neuwahlen lösen Blockade nicht
Sánchez hat sich mit seinen Neuwahlplänen verkalkuliert, glaubt auch Parapolitika:
„Eine große Wahrheit wurde noch einmal bekräftigt: Es ist nutzlos, über ein Problem, das anderer Natur war und ist, abzustimmen, um eine rechnerische Lösung zu finden. ... Für viele ist die einzige Lösung für das Land die 'große Koalition' der beiden traditionellen nationalen Parteien: der Sozialisten und der Volkspartei, die einen deutlichen Aufstieg verzeichnet hat. Dies ist für Spaniens politisches System fast ein Tabu. Aber es ist die einzig realistische Lösung, auch wenn es bedeutet, dass Vox die stärkste Oppositionspartei wird.“
Lektion für Ciudadanos
Der Chef der liberalen Ciudadanos, Albert Rivera, hat mit Rücktritt auf das desaströse Wahlergebnis seiner Partei reagiert: Statt 57 Sitzen hat sie künftig lediglich zehn. Nun rächt sich der Rechtsruck, beobachtet La Vanguardia:
„Vor nur sechs Monaten hätte Rivera einen Pakt zwischen Ciudadanos und Sozialisten aushandeln können. Mit einer Mehrheit von 180 Sitzen - 123 Sozialisten, 57 Liberale - hätte Rivera dem Land politische Stabilität und sich selbst womöglich das Amt des stellvertretenden Regierungschefs verschafft. Kein halbes Jahr später ist seine Formation auf den sechsten Platz im Kongress abgerutscht. ... Eine Partei ist, neben anderen Dingen, der Zusammenschluss von Personen, die eine gemeinsame Ideologie teilen. Und Ideologien sind anpassbar, aber nicht so sehr, wie Rivera es glaubte.“
Linke sitzt vor einem Scherbenhaufen
Premier Pedro Sánchez hat sich verrechnet, resümiert Der Standard:
„Für das vage Versprechen der Umfragen, eine Handvoll Abgeordnete mehr zu erzielen, ließ der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez eine sichere Regierungsmehrheit sausen. Anstatt ernsthaft zu verhandeln, tat der Chef der sozialistischen PSOE alles, damit keine Koalition mit den Linksalternativen von Unidas Podemos (UP) zustande kam. Diese wiederum waren nicht schlau genug, im Juli zuzugreifen, als Sánchez drei Minister anbot. Sie pokerten, um mehr zu erzielen und brachen damit ein. Jetzt sitzt die Linke vor einem Scherbenhaufen. Ein mögliches Bündnis aus Sozialisten und Linksalternativen verlor am Sonntag deutlich an Stimmen und an Abgeordneten.“
Zentralistische Hardliner gestärkt
Der Zugewinn der beiden rechten Parteien verschärft den Konflikt mit Katalonien, erklärt der Tages-Anzeiger:
„Mit Vox wurde eine Gruppierung gestärkt, welche die Teilautonomie der Regionen abschaffen, Unabhängigkeitsparteien in Katalonien verbieten und den Unterricht von Regionalsprachen einschränken will. Für den Katalonienkonflikt verheißt das nichts Gutes. Er lässt sich mit Härte und rhetorischer Zündelei nicht lösen. Dabei wäre Barcelona gerade jetzt gesprächsbereit. Zwar hat sich die junge Generation teilweise gefährlich radikalisiert. Doch politisch haben die gemäßigten Linksrepublikaner das Wahlbündnis von Carles Puigdemont überflügelt. Die Chance zum Dialog wäre in den kommenden Tagen also vorhanden. Wahrscheinlicher sind aber leider eine politische Blockade und Gewalt auf den Straßen.“
Es gibt nur eine Option
Allein eine Koalition zwischen Sozialisten und konservativer Volkspartei garantiert dem Land eine stabile Regierung, meint El Mundo:
„Die Blockade kann nur durch eine Einigung derjenigen Kräfte überwunden werden, die auf die Verfassung und Reformen setzen sowie auf den unserer Demokratie inhärenten Geist der Eintracht. Das Allgemeininteresse Spaniens verlangt eine große Koalition zwischen PSOE und PP. Es ist eine nie dagewesene Kombination, aber absolut notwendig. ... Eine weitere Verlängerung der Instabilität würde die Verteidigung der nationalen Einheit gefährden und Reformen verzögern, die das Land braucht, um das Vertrauen von Brüssel zurückzugewinnen.“
Politische Landkarte wird neu gezeichnet
Parteien anderer Länder sollten sich das spanische Wahlergebnis genau anschauen, rät Dagens Nyheter:
„Das spanische Beispiel zeigt, wie die politischen Landschaften Europas derzeit neu gezeichnet werden. Neue äußere Ränder erschweren die Mehrheitsbildung im Rahmen traditioneller roter und blauer Blöcke. Es unterstreicht auch, was notwendig ist, um stabile und tragfähige Regierungen zu erreichen: Brückenbau in der Mitte. Es ist wahrscheinlich, dass jetzt eine Art Konsens zwischen PSOE und PP erforderlich ist, damit Spanien vorankommt. Es ist auch eine deutliche Erinnerung daran, dass liberale Parteien in der Mitte unter diesen neuen Bedingungen möglicherweise irrelevant werden, wenn sie nicht in der Lage sind, sowohl mit Bürgerlichen als auch mit Sozialdemokraten zusammenzuarbeiten.“