Gehört Gott in die russische Verfassung?
In Russland werden gegenwärtig Vorschläge für die von Putin angestoßene Verfassungsänderung diskutiert. Patriarch Kyrill, Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche, hat den Wunsch geäußert, einen Bezug auf Gott in die Präambel aufzunehmen. Dafür bete er. Der Kreml verwies die Frage an die für die Verfassungsreform einberufene Arbeitsgruppe. In den Medien ist das Echo eher ablehnend.
Nicht unnötig Zwietracht säen
Die Verfassung ist der falsche Ort für Glaubensbekenntnisse, erklärt Juri Kanner, Präsident des Jüdischen Kongresses in Russland, in Echo Moskwy:
„Der Gottesbegriff ist meiner Meinung nach zu abstrakt, um ihn in einem juristischen Dokument zu verwenden, zumal in einem solch universellen wie einer Verfassung. Sie sollte Begriffe enthalten, die von der Mehrheit der Bevölkerung auf gleiche Weise verstanden werden. Mit Gott klappt das nicht. Unter diesem hohen Wort versteht der Patriarch das eine, der Mufti das andere, der Rabbi etwas drittes und Buddhisten, Atheisten und Agnostiker etwas viertes, fünftes, sechstes. Doch sie alle sind russische Bürger. Und die Verfassung ist für sie. ... In so einem wichtigen, zudem zutiefst weltlichen Dokument sollte man Anlässe für Meinungsverschiedenheiten, erst recht zu weltanschaulichen Fragen, vermeiden - und sie nicht suchen.“
Himmlische Ablenkung von der Machtfrage
Radio Kommersant FM glaubt, dass die Debatte dem Kreml sehr gelegen kommt:
„Dieser Vorgang lenkt von der Kernfrage bezüglich der Macht und der politischen Zukunft des aktuellen Präsidenten ab. Vor dem Hintergrund solch großer Diskussionen über das Ewige verlieren die Leute die eigentliche, entscheidende Änderung aus den Augen und diese rutscht ohne Lärm und Aufregung durch. ... Ob [Putin] nun Staatsrat oder Sicherheitsrat [vorsteht], das sind letztlich technische Fragen angesichts des Gemeinwohls. Was die Schöpfung und das Göttliche angeht, so kann man diese Fragen noch lange diskutieren - die Ewigkeit hat es nicht eilig.“