23 Jahre Haft für Harvey Weinstein
Der Sexualstraftäter und ehemalige Hollywoodmogul Harvey Weinstein ist am Mittwoch in New York wegen Vergewaltigung und sexueller Nötigung zu 23 Jahren Gefängnis verurteilt worden. Das Urteil gilt als Meilenstein in der MeToo-Debatte, die 2017 von dem Fall ausgelöst wurde. Kommentatoren begrüßen das Urteil, warnen aber auch vor leichtfertigen Anschuldigungen.
Schwein für Schwein wird das System abgerissen
Endlich ist ein Ende der männlichen Missbrauchskultur absehbar, jubelt Volkskrant-Kolumnistin Sheila Sitalsing:
„Es ist ein dröhnender Sieg über ein System, das Jahrzehnte lang am Leben bleiben konnte und das langsam aber sicher abgebrochen wird, Stein für Stein und Schwein für Schwein. Ein System, in dem Frauen Spielzeuge sind, die man nach Belieben rufen und wegschicken kann, ein Männerhobby. ... Muschis auf zwei Beinen, in die man fassen darf, ohne zu fragen. Und danach ungestraft darüber prahlen und Präsident von Amerika werden kann. Oder den großen Mann markieren in Hollywood, in der Theaterwelt, im Buckingham Palace, bei TV-Sendern, auf Vorstandsetagen.“
Nicht alle Beschuldigten sind schuldig
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung macht noch einmal auf die Kehrseite der MeToo-Bewegung aufmerksam:
„Da wurden Anschuldigungen gleich für bare Münze genommen und so getan, als müsse der Verdächtige seine Unschuld beweisen. … Zweifellos sind Taten nie vor Gericht gelandet, weil die Täter zu mächtig waren oder die Opfer eingeschüchtert wurden. Mancher wurde aber auch ins Blaue hinein beschuldigt. Und in einem aufgeheizten Umfeld kann schon das den sozialen Tod bedeuten. Es wäre gut, wenn sich mit der noch nicht rechtskräftigen Verurteilung Weinsteins die Wogen insgesamt etwas glätten würden – mit der Aussicht auf eine in jeder Hinsicht missbrauchsfreie Arbeitswelt.“
MeToo ist gekommen, um zu bleiben
An die grundsätzliche Bedeutung des Falls Weinstein erinnert Hospodářské noviny:
„Im Fall des früheren Hollywood-Magnaten ist nicht das Strafmaß entscheidend - 23 Jahre Haft - sondern der Fakt, dass überhaupt ein einst Mächtiger vor Gericht stand. Wahrscheinlich werden die Opfer angesichts der Strafe für Weinstein keine Befriedigung empfinden. Traumata, die von Vergewaltigungen und sexuellem Missbrauch herrühren, heilen - wenn überhaupt - nur langsam. Der Fall hat jedoch eine grundlegende Veränderung mit sich gebracht. Er machte etwas öffentlich, über das bis dahin nur heimlich und privat gesprochen wurde. Dass jemand so mächtig ist, dass er seine Position missbrauchen kann. Nicht nur in der Filmindustrie und nicht nur als Mann. Der Fall initiierte die MeToo-Bewegung, die das Thema seither im öffentlichen Raum hält.“