Wählen trotz Pandemie?
Unter strengen Hygienevorschriften wurde am Sonntag die erste Runde der französischen Kommunalwahlen abgehalten - trotz vielfacher Kritik und Ausnahmezustand. Die Wahlbeteiligung sank um knapp 20 Prozentpunkte auf rund 45 Prozent. Auch andere Staaten stehen vor der Frage, ob Urnengänge auch während der Corona-Pandemie stattfinden sollen. Kommentatoren sind diametral unterschiedlicher Ansicht.
Das Virus ist nicht die einzige Herausforderung
Gerade in diesen schweren Zeiten ist die Wahl eine Gelegenheit, Demokratie und Solidarität zu stärken, betont Ouest-France mit Blick auf die Wahlhelfer:
„Sie rufen uns in Erinnerung, dass diese Wahlen wichtig sind und dass das Coronavirus nicht die einzige Schwierigkeit ist, die wir zu bewältigen haben. … Es ist zu hoffen, dass diese Kommunalwahlen es trotz der Umstände allen Bürgern erlauben werden, sich bewusst zu machen, dass sie echte Akteure des demokratischen Lebens sind. Und ebenso, dass die Wahlgewinner ohne Sektierertum auf das erhaltene Vertrauen reagieren, dass sie alle kommunalen Volksvertreter einbinden, um die vielzähligen und schlimmen Herausforderungen bestmöglich zu bewältigen. Dann werden unsere Gemeinden solidarischer, menschlicher, fröhlicher. Dann hat die Demokratie gute Zukunftsaussichten.“
Die Demokratie wird verspottet
In Polen steht im Mai die Präsidentschaftswahl an. Kommentator Andrzej Machowski erklärt in Gazeta Wyborcza, warum die Wahl verschoben werden muss:
„Die Ehrlichkeit einer Wahl besteht nicht nur darin, dass alle Stimmen ausgezählt werden, die in die Urnen hineingeworfen werden. Für die Fairness der Wahl ist Chancengleichheit ebenso wichtig. Während die Kampagne ausbleibt, sind die Amtierenden ständig in allen Medien präsent (im Kampf gegen das Coronavirus). Deshalb kann eine Wahl, die im Mai stattfindet, mit einem Rennen verglichen werden, bei dem fünf Teilnehmer 100 Meter und einer - Präsident Andrzej Duda - nur 50 laufen sollen. ... Man kann zudem keine anständige Wahlbeteiligung erwarten. Ich glaube nicht, dass sie 40 Prozent erreichen würde. Eine Entscheidung für die Wahl wäre eine Verspottung der Demokratie.“