Polen verschiebt Präsidentschaftswahl
Nachdem die Kritik an einer Wahl während der Pandemie auch im Regierungslager immer lauter geworden war, wird Polens Staatsoberhaupt nun doch nicht am 10. Mai gewählt. Die regierende PiS, deren Kandidat und Amtsinhaber Duda als Favorit gilt, will die Wahl nun im Juni abhalten. Doch weil die Verfassungsmäßigkeit der Nicht-Durchführung nicht eindeutig geklärt ist, bleibt vieles noch im Unklaren.
Kaczyński nutzt unklare Rechtssituation aus
Beim weiteren Vorgehen setzt die Regierung voll auf die von ihr unter Kontrolle gebrachte Justiz, meint die Neue Zürcher Zeitung:
„Anders als bei der von Experten und der Opposition seit Wochen geforderten Erklärung des Ausnahmezustands, der die automatische Verschiebung von Wahlen während dieser Periode bewirkt hätte, ist nun die rechtliche Grundlage völlig offen. Muss Duda vor dem neuen Wahltermin zurücktreten? Können sich auch neue Gegenkandidaten qualifizieren? Und kann jemand zur Rechenschaft gezogen werden für eine fiktiv abgehaltene, aber nicht organisierte Wahl? Kaczynski verlässt sich darauf, dass die in den vergangenen vier Jahren umgebaute Justiz all diese Fragen in seinem Sinne klären wird.“
Katerstimmung im Regierungslager
Kaczyńskis PiS hat sich zum Gespött gemacht, urteilt Gazeta Wyborcza:
„Die Stimmung in den PiS-Kreisen kann mit zwei Worten beschrieben werden: gigantischer Kater. Obwohl offiziell Optimismus demonstriert wird, gibt es für die PiS tatsächlich keinen Grund zur Freude. Nachdem die Regierung wochenlang wiederholte, dass die Wahl am 10. Mai oder einem anderen Mai-Tag stattfinden muss, weil nur eine solche Lösung im Einklang mit der Verfassung stehe, musste sie sich nun eingestehen, dass dies falsch war. Jarosław Kaczyński musste einen Rückzieher machen. ... Wir haben eine Regierung aus Sperrholz - und das ist noch die sanfteste Bezeichnung, die man dafür verwenden kann. Schließlich sind wir Polen in den vergangenen Wochen zum Gespött der Welt geworden.“