Aufruhr um Open Beach in Vilnius
Eine von der Stadt Vilnius erlaubte Strandbar am zentralen und historischen Lukiškių-Platz sorgt derzeit nicht nur in der Landespresse für Streit. Dort, wo im 19. Jahrhundert die Anhänger eines Aufstands gegen die Zarenherrschaft gehängt wurden und später der KGB residierte, stehen jetzt Strandliegen. Ein neues Gesetz, das den Platz unter Denkmalschutz stellt, könnte dem nun Einhalt gebieten.
Gestresste Gesellschaft im Sandsturm
Dieser Streit zeigt, wie angespannt die litauische Gesellschaft ist, amüsiert sich der Schriftsteller Sigitas Parulskis in Lrytas:
„Im Geiste Nietzsches (Gott, d.h. das alte Werte-System, ist tot) streuen die Liberalen Sand in die vernebelte Erinnerungskultur und setzen sich mit dem nackten Hintern hinein. Die Konservativen rüsten zum Kampf für die ewigen Werte. Aber nur eine gestörte Psyche kann sich auf dem Strand-Platz wohler fühlen als am Wasser, und die ewigen Werte muffen nach dem 19. Jahrhundert. Die notwendige Neudefinition von Begriffen wie 'Vaterland' und 'Staat', 'Gesellschaft' und 'Volk' verursacht Stress. ... Wir fühlen uns von der westlichen Konsumlust angezogen, schaffen es aber auch nicht, uns von unseren historischen Nationalfetischen zu trennen. “
Den Bürgermeister bestrafen
Dem Leiter der Staatlichen Kommission der litauischen Sprache, Audrys Antanaitis, sind nicht nur die englischsprachigen Schilder in der Bar ein Dorn im Auge. Der liberale Bürgermeister von Vilnius, Remigijus Šimašius, sollte für den Strand bestraft werden, fordert er auf Delfi:
„Der Bürgermeister von Vilnius wusste, dass die Gesellschaft gespalten sein würde. ... Es war von Anfang an klar, dass der Sand auf dem Lukiškių-Platz einen großen Teil der litauischen Bevölkerung verletzen würde. Šimašius wusste das, aber er entschied sich trotzdem, die Harmonie der Gesellschaft zu opfern, um sich beliebt zu machen. So handelt er nicht zum ersten Mal. Die Geschichte von der Entfernung einer Gedenktafel an Jonas Noreika war das erste Signal, dass der Bürgermeister von Vilnius die Gefühle der Bürger mit Füßen tritt.“
Bedrohlich für die Demokratie
Litauens Staatspräsident Nausėda sollte dieses repressive und demokratiefeindliche Gesetz nicht unterschreiben, fordert LRT:
„Gitanas Nausėda erwartet eine schwere Prüfung. Eine Prüfung der Freiheit. ... Kurz ist dieses Gesetz mit seinen nur vier Artikeln. Aber sein Inhalt und die Art und Weise des Zustandekommens bedrohen vehement unsere Demokratie, unsere Freiheit und unsere Rechte. Sollte es in Kraft treten, bedeutet es, dass in Litauen der Staat repressiv gegen die vorgehen darf, die anders denken, etwas bestreiten oder die sich vielleicht auch irren. Ein Gesetz, das einen bestimmten Willen durchsetzt, kann auch repressiv sein. Bei diesem Denkmal-Status-Gesetz ist das der Fall.“