Wie umgehen mit dem Geldsegen aus Brüssel?
Der 750-Milliarden-Wiederaufbaufonds ist historisch: Erstmals in ihrer Geschichte setzt die EU ein schuldenfinanziertes Konjunkturpaket auf, das der durch die Pandemie bedingten Rezession entgegenwirken soll. In die einzelnen Länder fließen nun teils zig Milliarden Euro. Doch in die Freude vieler Kommentatoren über eine einmalige Chance des Neubeginns mischt sich in einigen Ländern deutliche Skepsis.
Eine fantastische Nachricht
Kroatien hat beim Wiederaufbaugipfel 22 Milliarden Euro zugesprochen bekommen. Eine enorme Chance, die man nutzen sollte, meint Večernji list:
„Die Kredite werden zu den besten Bedingungen vergeben - zu denen, die man erhält, wenn man, so wie eben die EU-Institutionen, mit AAA geratet wird. Dass ein Staat, der sich stets am Rande eines sehr schlechten Investitions-Ratings bewegt und es als Erfolg sieht, wenn er aus der Kategorie 'Junk' aufsteigt, durch die EU auf einmal die Möglichkeit bekommt, in Krisenzeiten seinen Kopf auf dem bestmöglichen Kreditrating auszuruhen, ist schon eine fantastische Sache. Und ein Präzedenzfall in der Geschichte, sowohl unseres Landes, als auch der Europäischen Union.“
Italien kann jetzt die Aufholjagd starten
Der Journalist Alan Friedman sieht für Italien, das insgesamt 209 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt bekommt, eine einmalige Gelegenheit, wettbewerbsfähiger zu werden, und schreibt in La Stampa:
„Das Land kann sich auf die Digitalisierung, die grüne Wirtschaft, die Reduzierung der Lohnnebenkosten, das Post-Covid-Gesundheitswesen, die Bildung sowie Reformen und Investitionen zur Verringerung des Produktivitätsgefälles zwischen Italien und Deutschland konzentrieren. Italien muss ein modernes Land und auch ein leistungsorientierter Markt werden, in dem Lohnprämien für die Besten nicht mit Argwohn betrachtet werden. ... Es muss sich für ausländische Direktinvestitionen attraktiver machen, indem es sein Zivilrechtssystem reformiert und endlich ernsthaft gegen die Ineffizienz der öffentlichen Verwaltung vorgeht.“
Die Milliarden allein bewirken noch gar nichts
Vor verfrühtem Jubel angesichts der 80 Milliarden für Rumänien mahnt Spotmedia:
„Wohin das Geld nun fließt, hängt nicht von der EU, den 'Sparsamen' oder Merkel und Macron ab, sondern von der rumänischen Regierung und den Finanzierungsprojekten, die sie entwickelt. … Die Geldsumme ist beträchtlich, aber sie wird nur dann in die Taschen der Bürger, in Renten, Sozialleistungen, Schulen und Krankenhäuser fließen, wenn der politische und administrative Wille da ist, das Land zu reformieren, neu durchzustarten, zu entwickeln - oder was für einen Begriff die Spitzenpolitiker gerne dafür verwenden wollen.“
Neue Schulden, neue Sparmaßnahmen
Die Hilfen für Griechenland bergen Gefahren, warnt Avgi:
„12,5 der 32 Milliarden sind Kredite, die, wenn Griechenland sie aufnimmt, seine Schulden erhöhen werden. Der Rest sind Subventionen. Um sie zu bekommen, muss das Land einen 'Reformplan' vorlegen. Und dieser wird aus sozialer Sicht katastrophal sein. … Im Zentrum stehen die Steuerreform zugunsten der Reichen, die vollständige Flexibilisierung der Arbeit und der Übergang zu einem [radikal marktorientierten] Sozialversicherungssystem à la Pinochet . … 'Reformen' im Austausch gegen Geld zu einer Zeit einer zweistelligen Rezession. Erinnert Sie dies an ein Sparmemorandum? Richtig.“