Proteste in Bulgarien münden in Gewalt

Bei den Protesten gegen die bulgarische Regierung ist es am Mittwoch in Sofia zu Ausschreitungen und Polizeigewalt gekommen. Mehr als 120 Demonstranten wurden festgenommen, mindestens 60 Menschen verletzt. Premierminister Bojko Borissow hatte angesichts der Proteste bereits vor zwei Wochen den Rücktritt seiner Regierung angeboten, diesen aber noch nicht umgesetzt. Droht die Lage zu eskalieren?

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Fakti.bg (BG) /

Borissow setzt Menschenleben aufs Spiel

Premierminister Bojko Borissow sollte zurücktreten, um nicht den Verlust von Menschenleben zu riskieren, fordert fakti.bg:

„Wie hoch darf der Preis dafür sein, an der Macht zu bleiben, wenn die Menschen nichts weiter verlangen als Neuwahlen und zwar so schnell wie möglich? Keiner der Machthabenden, nicht einmal Borissow, kann ausschließen, dass der Protest blutige Opfer fordert. … Dabei ist die Lösung so einfach und kann im Handumdrehen geschehen: den Rücktritt erklären! Einen Rücktritt, der sowieso nicht mehr vermeidbar und nur noch ein Frage von Tagen ist. Es ist der Moment gekommen, sich zu besinnen, um das Schlimmste zu vermeiden. Sonst könnten wir bald den Höchstpreis bezahlen: den Verlust von Menschenleben.“

Sega (BG) /

Nur die Volksmasse hat wirklich Gewicht

Nur mit der Unterstützung der gesellschaftlichen Mitte kann der Protest Erfolg haben, warnt Sega:

„Mehrere Wochen lang gingen die Proteste schleppend voran, die Menschen auf der Straße wurden weniger. ... Egal, wie viele Aktivisten sich auf dem Platz versammeln, dies wird wenig bringen. Was bei solchen Demonstrationen zählt, ist die Unterstützung der Massen. Das Volk muss 'raus auf die Straße' und sich deutlich auf die Seite der Aktivisten schlagen. … Am Anfang der Proteste sah es so aus, als würde dies geschehen - als der Platz noch voller kreativer junger Leute war, doch sie sind nicht geblieben. Am Mittwoch hat man nun versucht, den Protest wiederzubeleben. … Doch der Protest wird weiterhin erfolglos sein, solange nicht mindestens eine Viertelmillion Bulgaren ihn aktiv unterstützt.“

Sega (BG) /

Klientelistischer Schachzug

Die Verfassungsänderungen sind eine Idee aus dem großen Gefolge Borissows, das seinen Rücktritt mehr fürchtet als er selbst, analysiert Sega:

„Sie wissen genau, dass er für einen solchen Schritt bereit ist - er ist bereits [zwei Mal] zurückgetreten und ist auch in der Lage, es wieder zu tun, denn ein Rückzug bedeutet nicht automatisch den Verlust bevorstehender Wahlen. Man bedenke aber die riesige Armee von Parteimitgliedern und alle, deren Stellung von der [Gerb-]Partei abhängt; die endlose Schar von Beamten (433.000), die an ihrem Tropf hängen, an die ganze Nahrungskette, die sich entlang des Status quo gebildet hat. Diese Leute sind es, die bei jeder Rücktrittsankündigung 'Nein!' schreien. … Sie liefern Borissow die Vorlage, um sagen zu können: 'Seht her, die Leute wollen mich, ich bleibe.'“

Deutsche Welle (BG) /

Unter Borissow keine Veränderung möglich

Die Ankündigungen des Premiers sind bloße Ablenkungsmanöver, meint der bulgarische Dienst der Deutschen Welle:

„Bojko Borissow, der Garant des Status quo, will der bulgarischen Gesellschaft weismachen, er sei der Garant für einen Neustart des Systems. Das ist wie bei jener Karte, auf deren einer Seite steht: 'Die Aussage auf der anderen Seite ist wahr.' ... Aber wenn Sie die Karte umdrehen, lesen Sie: 'Die Aussage auf der anderen Seite ist eine Lüge.' Was auch immer Borissow verspricht, die Proteste nehmen zu. Seit gestern haben sich auch die Krankenschwestern angeschlossen. Und zum Versprechen des Premiers, eine neue Verfassung vorzulegen: Glaubt wirklich jemand, dass [Borissows Partei] Gerb und Rechtsstaatlichkeit vereinbar sind?“