Tut den Österreichern ihre Titelwut nicht gut?
Nach knapp einem Jahr im Amt ist die österreichische Arbeits- und Familienministerin Christine Aschbacher zurückgetreten. Die ÖVP-Politikerin reagierte damit auf Vorwürfe, dass Teile ihrer 2020 an der Universität in Bratislava eingereichten Doktorarbeit plagiiert seien. Beobachter bringen die Affäre in Zusammenhang mit dem österreichischen Faible für akademische Titel.
Posse im Land der Kommerzialräte
Nur Kopfschütteln hat der Tages-Anzeiger für Aschbacher übrig:
„In Österreich gibt es ... Hunderte Titel. ... Mit der Bologna-Bildungsreform wurde die Titelsucht aber schon eingedämmt, ausserdem hat auch im Land der Kommerzialräte und Kammersänger nur knapp jede zweite Führungskraft einen akademischen Titel. Die Wirklichkeit nagt also am Klischee. Umso peinlicher ist der tiefe Fall von Aschbacher. Sie trat wegen Plagiatsvorwürfen zurück, obwohl diese noch nicht letztgültig bewiesen sind. Aber die ganze Nation lacht so laut über ungelenke Texte und peinliche Zitate, dass ihr nichts anderes übrig blieb. ... Manches wirkt, als sei es mittels Copy-and-paste und Google Translate entstanden und nicht noch einmal gelesen worden.“
Schluss mit dem Abverkauf der Abschlüsse!
Auch der Kurier kritisiert die Titelmanie der Österreicher:
„Die Akademikerquote liegt mit 34 Prozent zwar schon fast im OECD-Schnitt (39 Prozent), aber keiner kennt sich mehr aus, welchen Wert welcher Abschluss hat. ... Mit Geld lässt sich sogar ein wohlklingender akademischer Abschluss erwerben, immer mehr (Privat-)Universitäten in aller Welt haben sich darauf spezialisiert. ... Nun gab es also wieder einen spektakulären Rücktritt in der Politik. Natürlich finden sich dort die beliebtesten 'Abschussobjekte'. Sie sind aber nur die Spitze eines Eisbergs. ... [O]ffenbar ist es wirklich an der Zeit, nach der Quantität endlich wieder auf inhaltliche Qualität zu schauen. Selbst wenn das die Akademikerquote nicht mehr ganz so wachsen lässt wie zuletzt.“