Polnischer PiS-Abgeordneter erhält Asyl in Ungarn
Ungarns Entscheidung, dem von den polnischen Behörden gesuchten Abgeordneten Marcin Romanowski politisches Asyl zu gewähren, führt zu Streit zwischen Warschau und Budapest. Romanowski gehörte als stellvertretender Justizminister der 2023 abgewählten PiS-Regierung an. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm Korruption und Veruntreuung öffentlicher Gelder vor. In beiden Ländern spiegelt sich die Polarisierung in der Presse wider.
Ein Präzedenzfall
Ungarn missachtet den Rechtsstaat, kritisiert Gazeta Wyborcza:
„Der Fall Romanowski hat Präzedenzcharakter. So wie es in Polen noch keine Situation gab, in der ein Gericht die Verhaftung eines amtierenden Parlamentsmitglieds angeordnet hat, gab es in der EU noch keine Situation, in der einer mit einem Europäischen Haftbefehl gesuchten Person politisches Asyl gewährt wurde. ... Man darf nicht vergessen, dass Ungarn in diesem Fall parteiisch ist: eine scheiternde Oligarchie, in der die Herrschenden das Recht missachten. Wäre der Staat ein Rechtsstaat, säßen viele der Mitarbeiter von Ministerpräsident Orbán, und vielleicht auch er selbst, bereits wegen Korruption im Gefängnis.“
Flop für Tusk
Für das PiS-nahe Medium wPolityce hat die polnische Regierung die Lage einfach nicht im Griff:
„Eines ist klar: In wenigen Tagen wird man beim Weihnachtsessen Gespräche führen. Das Thema Nummer eins werden dabei die Preise sein, für Butter, für Energie und alles andere. Aber jetzt kommt noch Thema zwei hinzu: das ungarische Asyl für Romanowski und die internationalen Konsequenzen daraus. Beide Themen haben eines gemeinsam: Sie sind der Beweis für die Inkompetenz der Regierung von Donald Tusk. Romanowski noch vor Weihnachten zu fassen, sollte ein spektakulärer Erfolg werden. Doch es wurde ein spektakulärer Flop.“
Nicht zum ersten Mal
Laut hvg setzt sich Ungarn erneut über die Entscheidung eines ausländischen Gerichts hinweg:
„Der Fall ähnelt der Gruevski-Affäre von 2018. Damals wurde der ehemalige mazedonische Regierungschef in ungarischen Diplomatenwagen nach Ungarn geschmuggelt, nachdem ein Gericht in Skopje den in Finanzskandale verwickelten und zunehmend Putin-nahen Politiker wegen Wirtschaftskriminalität zu zwei Jahren Haft verurteilt hatte. ... Es ist klar, dass die ungarische Regierung den Politiker nicht nach Hause schicken wird. ... [Und im aktuellen Fall] ist sicher, dass die Infragestellung der polnischen Rechtsstaatlichkeit die ohnehin nicht freundschaftlichen Beziehungen zwischen Ungarn und Polen weiter verschlechtern wird.“
EU schaut untätig zu
Die regierungsnahe Mandiner sieht guten Grund an der Rechtsstaatlichkeit in Polen zu zweifeln:
„Das Parlament und die Regierung ignorieren absichtlich die Entscheidungen des Verfassungsgerichts, womit sie die Grundprinzipen der Gewaltenteilung und der Rechtsstaatlichkeit sowie die Bestimmungen der polnischen Verfassung schwer verletzen. Die linksliberale Parlamentsmehrheit hat sogar eine Stellungnahme verabschiedet, die die Entscheidungen des Gremiums für ungültig erklärt. Die EU und ihre Organe, die so oft über die Lage der Rechtsstaatlichkeit in Ungarn besorgt sind und über die Lage der Rechtsstaatlichkeit in Polen unter der konservativen Regierung besorgt waren, schweigen zur Vorgehensweise der Tusk-Regierung im vergangenen Jahr und belohnen sie sogar.“