Frankreich: Islam-Verbände einigen sich auf Charta
Die neun dem Dachverband CFCM angehörigen muslimischen Verbände Frankreichs haben sich am Wochenende auf eine Grundsatzcharta für den Islam in Frankreich geeinigt. Zuvor hatte Präsident Macron monatelang darauf gedrungen, dass sie sich gegen Islamismus positionieren. Kommentatoren loben, dass die Charta Diskriminierung trotz klarer Position vermeidet - zweifeln aber auch an ihrer Effektivität.
So erreicht man die Adressaten nicht
Dass die Charta die gewünschte Wirkung entfaltet, bezweifelt Soziologe Tarik Yildiz in Le Figaro:
„Es scheint sehr unwahrscheinlich, dass ein sich radikalisierendes Individuum empfänglich ist für einen Imam, der indirekt ein Label des Staats erhalten hat und daher als 'verkauft' angesehen wird. ... Die Internetforen quellen über an Fragen Jugendlicher an französischsprachige Imame, die außerhalb jedes institutionellen Rahmens agieren und klare Antworten liefern. Hauptziel sollte sein, dafür zu sorgen, dass ein junger Mensch nicht empfänglich wird für separatistische und/oder radikale Diskurse, die meist eine Leere füllen, welche die Institutionen haben entstehen lassen.“
Pragmatismus zahlt sich aus
Die Grundsatzcharta geht in die gleiche Stoßrichtung wie das Gesetz zur Separatismus-Bekämpfung, das derzeit im Parlament debattiert wird, lobt La Tribune de Genève:
„Seit Beginn seiner Präsidentschaft arbeitet Macron an einem diskreten Vorhaben: in gewissen Vierteln die Problemorte - Moscheen, Schulen, Vereine - identifizieren und gemeinsam mit den lokalen Akteuren die Interventionsmöglichkeiten prüfen, um sie aufzulösen oder zu verbieten, aber auch um die gesetzlichen Hindernisse zu analysieren, die das Eingreifen bisher verhinderten. Damit diese Methode angewendet werden kann, musste das Gesetz angepasst werden. Das ist nun geschehen - mit einem bewussten Pragmatismus, der in Frankreich keine sehr weit verbreitete Eigenschaft ist, der aber seine Gegner entwaffnet hat. … Man kann gegen die einen vorgehen, ohne die anderen zu stigmatisieren. ... Dank Macron.“
Gelungener Drahtseilakt
Schweden sollte dem französischen Beispiel folgen, findet Dagens Nyheter:
„Es wäre eine riesige Herausforderung, das Problem überhaupt zu formulieren, ohne auf eine bestimmte Gruppe zu weisen und sie zu 'beschuldigen'. ... Und es gibt das Risiko, dass man wie so oft mehr auf die wenigen radikalen muslimischen Stimmen als auf die vielen Gemäßigten hört. ... Aber nach der Ermordung Samuel Patys hat Macron ein ausgewogenes Verhältnis zwischen der Distanzierung vom extremen Islam und der Berücksichtigung der überwiegenden Mehrheit der Muslime erreicht. Diese sind seit Generationen ein offensichtlicher Bestandteil der französischen Gesellschaft und ebenso von der Gewalt und Unterdrückung der Extremisten betroffen. Dieser Spagat beinhaltet sowohl respektvolles Zuhören als auch ernsthaftes miteinander Reden. Das funktioniert auch auf Schwedisch.“