Niederlande: Ausschreitungen bei Corona-Protesten
In mehreren niederländischen Städten ist es in den vergangenen zwei Nächten zu schweren Krawallen gekommen. Kurz vor Beginn der dort geltenden nächtlichen Ausgangssperre hatten sich vor allem Jugendliche versammelt, ein Teil von ihnen zerstörte später Geschäfte, legte Feuer und griff die Polizei an. Sind die Proteste Ausdruck psychischer Folgen der Pandemie oder ist das Virus nur eine Ausrede?
Die Zündschnur wird immer kürzer
Für De Standaard zeigen die Ausschreitungen, welch explosive Mischung durch die andauernde Pandemie entsteht:
„Inzwischen nimmt die Spannung in der Gesellschaft langsam zu. Das manisch-depressive Muster der Pandemie erschöpft jeden mental. Erst scheint die Befreiung greifbar nahe, und dann wird sie uns im nächsten Moment plötzlich wieder entzogen. Wenn sich dieses Schema weiter wiederholt, dann hält auch der disziplinierteste Bürger das nicht lange durch. ... Die Flamme kommt nun gefährlich in die Nähe der Lunte des Pulverfasses. Was in den sonst so zivilisiert debattierenden Niederlanden geschah - Brand eines Testzentrums, Gewalt gegen ein Krankenhaus, unglaublich! - sollte eine letzte Warnung sein.“
Corona macht rasend
Langsam können wir erahnen, wie sich Corona auf die Psyche der Gesellschaft auswirkt, fürchtet auch Chefredakteur Jordi Juan in La Vanguardia:
„Sicher, es ist der erste Protest dieses Ausmaßes in Europa, aber unabhängig voneinander ereignen sich jede Nacht in vielen anderen Städten des Alten Kontinents diverse ähnliche Aktionen. Die Ausgangssperren, das Schließen der Freizeiteinrichtungen und all die Maßnahmen der verschiedenen Behörden, um die Ansteckungen zu bremsen, sorgen in vielen gesellschaftlichen Gruppen für Wut - bei jungen und nicht mehr so jungen Leuten. ... Hoffentlich kann man die Gewalt aufhalten, aber der von der Pandemie verursachte Ärger in der Gesellschaft wird seine Spuren hinterlassen. Die wirtschaftlichen Folgen kennen wir schon. ... Aber es wird auch sehr negative psychische Auswirkungen geben.“
Null Toleranz für Straßenterror
Mit Corona-Protesten haben die Krawalle für De Telegraaf nichts zu tun:
„Nur verirrte Geister verwechseln die unglaubliche Zerstörungswut mit aufrichtigen Demonstrationen gegen die Ausgangssperre. ... Man muss unterscheiden zwischen den oft naiven Bürgern, die friedlich ihre Stimme hören lassen wollen und den einfach nur aggressiven Vandalen, die plündernd durch die Straßen ziehen und die Konfrontation mit der Polizei suchen. ... Man muss herausfinden, wer die Anstifter der Gewalt sind. ... Bei Gewalt kann es keine Toleranz geben. Gegen Straßenterror gibt es nur eine Antwort, nämlich knallhart und repressiv einschreiten und die Ordnung wieder herstellen. In diesem Land darf nicht das Chaos regieren. “