Corona-Impfpass: Weg in die Normalität?
Der digitale Corona-Impfpass kommt, darauf haben sich die Teilnehmer des EU-Gipfels am Donnerstag verständigt. Ob mit diesem europaweit gültigen Dokument Reisefreiheiten verbunden sind, ist weiter strittig. Das hatten Griechenland, Spanien, Italien und Österreich gefordert, die stark vom Tourismus abhängig sind. Für viele Kommentatoren ist ohnehin nicht der Zeitpunkt, um darüber zu diskutieren.
Urlaub muss sich hinten anstellen
Die EU und ihre Institutionen setzen einmal mehr die falschen Prioritäten, kritisiert Der Standard:
„Ein Impfzertifikat ist Zukunftsmusik, dient heute der lllusionierung, solange nur ein Bruchteil der Menschen geimpft ist. Andere Dinge sind dringlicher. ... Erst die Infektionszahlen runter, regionale Lösungen, die Wirtschaft in Gang halten, Abstimmung an den Grenzen - dann irgendwann Freizeitreisen. ... Die Corona-Krise entgleitet den Regierungen und der Kommissionschefin immer wieder. Die alten EU-Strukturen sind für eine Jahrhundertkrise nicht mehr tauglich. Zentrale Fragen sind also: Wodurch sind 27 Staats- und Regierungschefs aufzuwecken? Was macht das EU-Parlament? Wer durchbricht die Lähmung?“
Nicht zu Ende gedacht
Für Dagens Nyheter sind einige wichtige Fragen noch ungeklärt:
„Klar wäre es praktisch für Fluggesellschaften und Hoteleigentümer, wenn die Kunden mit einem Papier oder noch besser mit einem digitalen Attest im Handy zeigen könnten, dass sie für ihre Umgebung ungefährlich sind. Aber es ist weder sicher, dass sie nicht ansteckend sind, noch wie lange der Schutz wirkt. Auch gibt es immer noch wenig Impfstoff, und deshalb entscheidet die Impfreihenfolge. Manche haben medizinische Probleme wie etwa Allergien, die Speziallösungen erfordern. Und sollte ein Nachweis von Antikörpern genauso zählen wie eine Impfung?“
Jetzt für den Sommer vorbereiten
Man muss nun das auf den Weg bringen, was man im Sommer gut gebrauchen kann, lobt hingegen El País die Initiative:
„In Europa, wo der Teil der geimpften Bevölkerung noch sehr klein ist, mag es zunächst voreilig erscheinen, einen Impf-Reisepass einzuführen. Aber es ist eine gemeinsame Mission, die es wert ist, vorbereitet und in einigen Monaten eingeführt zu werden, sobald die Lage sicherer ist. ... Trotz der von einigen im Vorfeld geäußerten Diskrepanzen fand man schließlich eine Einigung. Erfreulich! ... In dieser Debatte sollte man nicht über Diskriminierung sprechen, weil das neue Zertifikat nur ein weiteres Instrument bei den Maßnahmen darstellt, die bereits jetzt die Bewegungsfreiheit einschränken, wie die Tests, Quarantänevorschriften oder lokale Ausgangssperren.“
Der Kompromiss liegt im Namen
Der Impfpass wird kommen, aber anders genannt werden, glaubt Radio Europa Liberă:
„Die Franzosen sind beispielsweise völlig gegen einen solchen Pass, aus ethischen Gründen. Im Gegenzug machen große Fluggesellschaften Druck, ein solches Dokument einzuführen, das beim Einsteigen gezeigt werden soll. Das würde bedeuten, dass Personen, die aus welchem Grund auch immer, sich nicht impfen lassen, nicht mehr reisen könnten. ... Höchstwahrscheinlich wird man eine Art Impfbescheinigung erhalten, die mehrsprachig ist und in allen 27 EU-Mitgliedsländern anerkannt sein wird. Das wird kein wirklicher 'Impfpass' sein, wie ihn sich die am stärksten vom Tourismus geprägten Länder wünschen, und zwar nicht nur Griechenland, sondern auch Italien und Spanien.“